Ein radelnder Reporter per pedes unterwegs auf geschichtlichen Spuren in Staufen bei Freiburg (Breisgau)

 

Ein "Hexen"- oder "Heckental" und die "Grundlage einer neuen Weltanschauung" 

 

Nachdem ich auf meinen Touren im Südwesten Deutschlands und in der Schweiz sowie bei meinen Recherchen immer wieder auf die Staufer stieß, musste ich eine Reise nach Freiburg im Breisgau nutzen, um den Ursprung und die Geschichte der Staufer zu erkunden.

Bei angenehmen Temperaturen radle ich durch das sogenannte Hexental in die kleine, malerische Stadt Staufen. Der Weg führt mich von Freiburg aus durch gepflegte Dörfer, an Streuobstwiesen und Weinbergen vorbei etwa 20 Kilometer weit Richtung Südwesten bis ich Staufen erreiche. Die Burg der Staufer ist schon von weitem gut zusehen und die zumeist gut ausgebauten Fahrradwege gestatten mir auch immer wieder, einen Blick in die Landschaft und auf die Burg zu werfen. Den letzten Rest Weges zur Burg hinauf durch die sie umgebenden Weinberge schiebe ich mein Rad aber, dem Rad und auch mir selber zuliebe: es wird doch zu holprig. Es hat sich gelohnt und ich werde durch einen herrlichen Blick in die weite Landschaft und ins Rheintal belohnt.

Wer nicht den selben Wegzurück radeln möchte, auch wenn dieser auf dem Rückweg ja eine andere Perspektive bietet, sei es der Zeit oder der Fitness geschuldet, dem bietet es sich an, denZug zu nehmen.

 

Erstmals als Siedlung wird Staufen um 770 erwähnt

und zwar in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Lorsch. Das süddeutsche Adelsgeschlecht der Staufer, deren „Namenspatron“ die Stadt bzw. die Burg Staufen ist, existierte bis etwa zum Jahr 1600 und ging erst Anfang des 12. Jahrhunderts aus – heute würde man sagen – höheren Beamten oder vielleicht leitenden Angestellten hervor, die den Zähringern dienten. Die Staufer stiegen im 13. und 14. Jahrhundert gesellschaftlich bis in den Reichsfreienstand auf. Sie hatten somit nur noch dem König zu dienen und zählten zum hohen Adel. Bald mussten sie sich den aufstrebenden, mächtiger werdenden Habsburgern unterordnen, die ab Anfang des 14. Jahrhunderts denn auch als Könige bzw. Kaiser über die deutschen Lande herrschten.

Allerdings – diesem Irrtumwar ich unterlegen – das Geschlecht der Staufer hat nichts zu tun mit den Hohenstaufen.

Die Herren von Staufen wären keine Adligen gewesen, wenn sie nicht auch in Fehden verwickelt gewesen wären. So führten sie mehrere Kleinkriege mit der Stadt Freiburg, die sie allesamt verloren. Reparationsleistungen, die Pest und ein schweres Erdbeben 1356 sowie ein Aufstand während des Bauernkrieges setzten den Herren von Staufen und natürlich auch der Bevölkerung zu.

Die Zeit danach ist auch immer wieder geprägt von Kriegen, dem holländischen Erbfolgekrieg folgt der pfälzische Erbfolgekrieg, dann Besetzung während der Französischen Revolution und 1848 die badische Revolution, auch als Struve-Putsch bekannt.

Mein Ausflug nach Staufen allerdings hat mich neugierig gemacht auf die Geschichte des „Hexentals“ und die Hintergründe des Struve-Putsches, wurde während des Struve-Putsches doch hier durch ihn im September 1848 die Deutsche Republik ausgerufen, wenn sie auch vorläufig nicht von langer Dauer war.

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Hexental – dieses Tal durchquerte ich während meiner Tour nach Staufen –

wird die Landschaft zwischen dem Schwarzwald (im Osten) und dem Schönberg massiv (im Westen) genannt. Aber warum erhielt es diesen Namen? Zumeist sind damit ja Geschichten oder Sagen oder Aberglaube verbunden, ebenso wie mit den zahlreichen „Teufelsbrücken“, deren tollkühne Konstruktionen „nur mit Hilfe des Teufels zustande gebracht werden konnten“ (zum Beispiel die „Teufelsbrücke“ in derToskana). Nun, um es kurz zu machen: nirgends kann ich eine verbürgte Geschichte finden. Und, dass die Jesuiten des hier gelegenen Klosters etwas mit der Namensgebung zu tun hatten, mag ich nicht zu spekulieren. Waren es doch innerhalb der katholischen Kirche eben die Jesuiten, die gegen den Hexenwahn argumentierten und schrieben, wie der deutsche Jesuit Friedrich Spee (geboren 25. Februar 1591, gestorben 07. August 1635).  

Schließlich werde ich doch fündig und erfahre, dass der  Name dieses Tals nicht von Sagen und Geschichten abgeleitet wurde, sondern seinen Ursprung im Keltischen hat: das der „Hex“ phonetisch sehr nahe keltische „Hags“ bedeutet Hecke. Dies vermag mich zu überzeugen, ist doch auch heute noch das Tal neben Obstbäumen und Weinreben geprägt durch Hecken und niedrig wachsendem Gestrüpp.

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Die bürgerliche Revolutionvon 1848 und Staufen –

auch dieser Zusammenhangmacht mich neugierig. Brachte ich doch immer die 48`er-Revolution mit dem Hambacher Manifest und der Frankfurter Nationalversammlung in Zusammenhang. Staufen kommt dabei ins Spiel durch Gustav Struve, Friedrich Hecker und andere politische Flüchtlinge, die von ihrem schweizer Asyl aus die Vorgänge in Deutschland beobachteten und schließlich eingriffen. Am 12. April 1848 riefen Hecker und Struve in Konstanz die Republik aus, warben Freischärler an, mussten jedoch nach ihrer Niederlage im Kampf mit regulären Truppen erneut in die Schweiz fliehen. Im September 1848 startete Gustav Struve einen neuen Versuch, besetzte mit einer kleinen Truppe Lörrach, wo er am 21. September 1848 die „Deutsche Republik“ ausrief mit Zielen, die uns heute nur zu bekannt und selbstverständlich (wenn auch immer wieder verbesserungswürdig und zu verteidigen) geworden sind: „Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle“. Letztlich konnte Struve mit seiner inzwischen bis auf etwa 4.000 Mann gewachsenen Freischärler-Truppe auch diesmal nicht gegen die reguläre Armee bestehen und unterlag im Gefecht um Staufen am 24. September 1848 erneut. Er wurde verhaftet, verurteilt, eingekerkert, befreit und musste nach dem endgültigen Scheitern der badischen Revolution 1851 in die USA fliehen. Auch solche Geschichten zeigen mir persönlich wieder, wie wichtig es ist, dass wir heute in Deutschland Flüchtlinge willkommen heißen. Waren doch damals zum Beispiel die USA oder Frankreich für nicht wenige Deutsche lebensrettend – auch für Deutsche, die dann später zurück kehrten und die republikanischen Werte hierzulande mit durchsetzten, Werte, die wir heute nicht mehr missen wollen!

Dies zeigt auch die Lebensgeschichte von Gustav Struve (geboren 11. Oktober 1805 in München, gestorben 21. August 1870 in Wien). Privilegiert und adelig geboren als „von Struve“, fand er als Student im Vormärz zu den damals revolutionären Burschenschaften, stieg nach seinem Studium zuerst eine juristische Karriereleiter hinauf, näherte sich immer mehr demokratischen Positionen, wurde Redakteur im oppositionellen „Mannheimer Journal“ und legte schließlich 1847 seinen Adelstitel ab. Über die Schweiz, in die er nach seiner Niederlage bei Staufen erneut flüchten musste, die ihn jedoch auswies, flüchtete er gemeinsam mit seiner Ehefrau weiter über Frankreich und England 1851 in die USA. Dort unterstützte er nach einer eher unpolitischen Lebensphase 1860 Abraham Lincoln und nahm nach Lincolns Wahlsieg am Sezessionskrieg auf Seiten der Unionisten teil. Nach dem Tode seiner Ehefrau, die während der Geburt ihrer zweiten Tochter starb, und einer Amnestie des Großherzogtums Baden, kehrte er im Mai 1863 nach Deutschland zurück. Hier scheint er sich nicht mehr revolutionär betätigt zu haben, sondern widmete sich einer neuen (und auch heute wieder sehr aktuellen) Lebenseinstellung: der vegetarischen Ernährung. Mit Freunden gründete er 1868 den „Stuttgarter Vegetarierverein“  und gab 1869 sein Buch „Pflanzenkost, die Grundlage einer neuen Weltanschauung“ heraus.

So führt mich meine anfängliche Neugier, nur etwas mehr über die Staufer erfahren zu wollen, doch wieder durch eine Fülle von Themen: Hexen, die 1848`er Revolution, Demokratie und Freiheit, Flüchtlingsdramatik und auch zu Gedanken einer gesunderen Ernährung.