| Das Siebengebirge in Zeiten der Corona wiederentdecken
Im Siebengebirge, südlich von Bonn gelegen – während meiner Kindheit und Jugendzeit jährliches Ausflugsziel(für Kölner ein „must“) – gibt es dies und das, einfach so vieles zu sehen, und es erzählt uns auch viel. Zum Beispiel, dass es weitaus mehr Berge hat als nur sieben. Es sind tatsächlich über 50 Berge und Höhen. Aber der Zahl „sieben“ wird nun einmal in unserem Kulturkreis eine gewisse mystische Bedeutung zugeordnet. So musste ich das Alter von 7 mal 10 Jahren erreichen, um von meiner sieben Jahre jungen Enkelin darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass der Name des Gebirgsensembles in die Irre führt. Und das begab sich folgendermaßen: wir saßen auf dem Deck der Personenfähre von Bonn nach Beuel, hatten einen herrlichem Blick auf das Siebengebirge, und ich – so sind Großeltern nun manchmal – forderte meine Enkeltochter auf, die Berge zu zählen. Sie legte los: „Eins, zwei, drei … sieben, acht, neun …“. „Stopp“, intervenierte ich, „das sind doch nur sieben Berge.“ „Nein, das sind mehr!“, war ihre Antwort. Ich zählte nach, gab ihr recht und zu Hause angekommen, recherchierte ich. So erfuhr ich, dass das älteste Dokument, in dem der Namen „Siebengebirge“ erwähnt wird, aus dem Jahre 1590 stammt. Reisenden, die sich auf dem Rhein diesen Bergen nähern – egal ob vom Norden oder vom Süden kommend – fallen in der Tat unmittelbar sieben Berge ins Auge (es sei denn, jener/jene hat ein so scharfes Auge, wie eine Siebenjährige). Das Besondere dabei ist, dass es je nach Blickrichtung nicht immer exakt dieselben Berge sind. Wieso nun die Zahl „Sieben“ Teil des Namens geworden ist, kann nicht mehr erklärt werden. Möglicherweise wegen der zugeordneten magischen Bedeutung der Zahl, vielleicht aber auch aus einer Lautverschiebung heraus; denn „Siefen“, schluchtartige Waldtäler mit Wasserläufen, finden sich hier viele. ACHTUNG: das Folgende sind meine Gedankengänge, die sich aus einstellten, um mich von den Strapazen der gut 16%igen Steigung abzulenken - ich will Ihnen ersparen, alles wiederzugeben ...: "So oder so geht das Wort „Siebengebirge“ flüssig über unsere Lippen. „Neungebirge“ oder „Fünfgebirge“ dagegen wären phonetisch wenig elegant. Befände sich diese vor Abermillionen Jahren entstandene Landschaft vulkanischen Ursprung auf chinesischem Festland, hieße es vielleicht „Achtgebirge“, gilt nun einmal die Zahl „Acht“ im chinesischen Kulturraum als magische Zahl. Und vielleicht wird diese Landschaft mal in China nachgebaut unter dem Namen „Ba shanmai“ (Achtgebirge). Genügend chinesische Touristen reisen ja hierhin – und wenn schon Schloss Neuschwanstein dupliziert wurde … "Uff", endlich bin ich oben auf dem Petersberg – 360 Meter über NN – angekommen.". Sofort wird mein Sinnieren über die Namensgebung dieses Naturparks wird abgelöst durch die herrliche Aussicht, die hier geboten wird. Der Blick reicht weit ins Rheintal hinein, egal ob nach Norden oder nach Süden oder in Richtung Westen bis tief in die Eifel. Auch auf einen der benachbarten Berge, des wohl bekanntesten, dem Drachenfels, zieht es die Blicke und die Kameralinsen der rastenden Wanderer*innen. Der Petersberg – früher Stromberg genannt – dürfte nach dem Drachenfels der zweitbekannteste Berg des Siebengebirges sein. Das hier oben im Jahre 1892 errichtete Grand Hotel beherbergte zwischen 1949 und 1952 die „Alliierte Hohe Kommission“ und dient seit 1955 der deutschen Bundesregierung als Gästehaus für besondere Anlässe. Außerhalb dieser Zeiten steht es dem „normalen“ Bürger zur Verfügung, wie auch das Restaurant und der angeschlossene Biergarten – gute Qualität zu annehmbaren Preisen. Beim Abstieg zu meinem zweiten Ziel, dem Stenzelberg (287 Meter), schmerzen mir die Knie und der abschüssige Weg (Können 100 Meter Höhenunterschied so viel sein?) erfordert meine ganze Aufmerksamkeit – und so bleiben Sie – liebe Leserin, lieber Leser – verschont von weiteren Reflektionen.
Der Stenzelberg, ursprünglich „Steintelberg“ genannt, wurde vom 11. Jahrhundert an bis 1931 als Steinbruch genutzt. Mit dem hier gewonnenem Gestein wurden unter anderem mehrere Kirchen der Umgebung erbaut, wie das Bonner Münster oder die Nikolauskapelle in Heisterbacherrott. Das Gelände des aufgegebenen Steinbruchs galt bis zum Verbot im Jahre 2005 als regionales Kletterparadies. Steile Felswände und sogenannte „Umläufer“, eine geologische Besonderheit des Stenzelberges, reizten zum Klettern. < Quelle Universität Bonn: „Umläufer sind Gesteinskörper von der Form abgerundeter, senkrecht stehender Zylinder von einem bis mehrere Meter Durchmesser. Das Gestein zwischen diesen Umläufern ist massig und als Baustein gut geeignet.“ > Nach dem Abbau des nutzbaren Stein, blieben diese „Umläufer“ übrig, manche fielen um, andere blieben stehen, insgesamt ein Paradies für Kletterer. Verboten wurde das Klettern im Zuge der Anerkennung des Areals als „Fauna-Flora-Habitat“ durch die Europäische Union, mit dem Ziel, hier lebende gefährdete Tiere zu schützen, zum Beispiel die „Mauereidechse“. Hierin und drum herum zu gehen, ist aber heute noch gestattet, und so fühlt man sich wie in einer wilden Felsenlandschaft, ähnlich den Vogesen oder dem „Felsengarten“ bei Saarburg. Entsprechend viele Menschen verweilten hier, ebenso wie ich, von der Wildheit der Natur und dem freien Blick in die Landschaft angezogen, und so war es schwer, sich an die coronabedingte Abstandsregel zu halten. Also setzte ich mir eine stets griffbereite FFP2-Maske auf und genoss trotzdem die Landschaft, die Felsformationen und den nur vom Horizont begrenzten Blick ins Rheintal, über Bonn hinweg bis Köln. Und zurück geht’s zum Ausgangspunkt meines Rundgangs, der
Klosterruine Heisterbach. Nach der napoleonischen Säkularisation entwickelte sich die einst prächtige Klosterkirche zu einer Ruine, allerdings eine von besonderer Anmut. Die Abtei wurde 1803 aufgegeben, das Kloster vergeblich zum Verkauf angeboten und schließlich im Jahre 1809 als Abbruchobjekt an einen französischen Unternehmer verkauft. Die sodann wiedergewonnenen Steine wurden beispielsweise für den Bau der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz verwendet. Neun Jahre lang dauerte der Raubbau, und als 1818 weitere Abbrucharbeiten verboten wurden, war nur noch die Ruine des Chors übrig. Diese strahlt einen besonderen Reiz aus, und so befand ich mich erneut unter vielen Menschen wieder, die hier entlang des Grundrisses der Abteikirche (markiert durch im Boden eingelassene Steine) wandelten und fotografierten. In Betrachtung der Ruine des Chors versunken, erinnerte ich mich an das Buch „Der Ruinenbaumeister“ des Schriftstellers Herbert Rosenberger, und meinte, seine Gedanken beim Schreiben erkennen zu können (in etwa: „Schön ist etwas erst dann, wenn es zerstört ist.“). Warum auch immer: in der Tat üben Ruinen auf den Menschen magische Anziehung auf. Sei es die Ruine des Drachenfelses, in deren Erhaltung sehr viel Mühe und Geld gesteckt wird oder eben auch die Ruine dieses ehemaligen Zisterzienser-Klosters. Auch die Geschichte des Zisterzienser-Ordens empfinde ich als interessant. Auf Spuren der Zisterzienser traf ich im Jahre 2014 bei einer Fahrradreise in Frankreich (Meursault - Chalon - Cluny - Mâcon - Tournus – Beaune) und lernte dabei in Cluny, dass der Orden der Zisterzienser 1098 als Reformbewegung aus den Benediktinern hervorging. Die Benediktiner-Abtei Cluny war zu erheblicher kirchlicher Macht und großem Wohlstand gekommen. Sie entfernte sich mehr und mehr von ihrer Gründungsidee, einem bescheidenen mönchischen Lebens. Diese Abkehr von den ursprünglichen Ideen erzeugten bei einem Teil der Gemeinschaft Unbehagen, und so gründete der Benediktiner Robert von Molesme mit weiteren Mönchen 1098 in Citeaux (Ort in Burgund, davon abgeleitet Zisterzienser) einen neuen Orden mit dem Ziel, die ursprüngliche einfache mönchische Lebensweise neu zu beleben und in die Welt zu tragen. Einer der Ableger, die Zisterzienser-Abtei Heisterbach, wurde etwa 100 Jahre später um 1189/1192 auf Betreiben des Kölner Erzbischofs Philipp I. von Heinsberg (Ort in der Eifel) durch zwölf Mönche der Abtei Himmerod (Eifel) gegründet. Als erstes Quartier der jungen Klostergemeinde fungierte ein vom Augustinerorden verlassenes Gebäude auf dem Petersberg. Im Jahre 1202 zogen die Zisterzienser um nach Heisterbach, damals noch „Tal des heiligen Petrus“ genannt, und legten den Grundstein für ihr neues Quartier, das es bis 1799 bleiben sollte. Ist es Ironie oder der allgemeine Lauf der Dinge, jedenfalls sollte die Abteikirche Heisterbach prächtiger und größer als der Kölner Dom werden – Bescheidenheit sieht anders aus. Wie aber ist der Name „Heisterbach“ zu erklären? „Heister“ bedeutet „junger Buchenstamm“: ein passender Name für eine aufstrebende, von sich überzeugte Klostergemeinde. Hier beende ich einen wunderschönen „Altweibersommertag“ des November (!) 2020 bei etwa 18 Grad Celsius (plus!) und wundere mich auf dem Weg zum Parkplatz über einen blühenden Apfelbaum, dieser ebenso wie der Mensch und Vögel irritiert vom verspäteten Spätsommer. Fotos vom Ausgangspunkt Parkplatz Klosterruine Heisterbach: Gaststätte "Einkehrhaus" (ehemaliges Forsthaus), Steinbruch Stenzelberg mit "Umläufer" und Blick auf den Rhein (Richtung Norden, Bonn und Köln), Steinbruch Weilberg (See, Pferd), Klosterruine Heisterbach (Chor-Ruine, blühender japanischer Kirschbaum, sich an den Früchten eines Baums ernährende Amsel) Vielen Dank für ihr Interesse! |
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