Bonn in Zeiten der Corona wiederentdecken

 

Den Rhein entlang von Grafenwerth bis Schwarzrheindorf

gibt es – wie in Köln – dies und das, einfach so vieles zu sehen und zu erzählen.

Es hatte mich nicht nach Wilhelm Buschs Erkenntnis: „Schön ist es auch anderswo. Und hier bin ich sowieso.“ nach Köln und woandershin gezogen und Bonn „links“ liegen lassen.

Nein, die Schönheiten der Umgebung und der Stadt Bonn –  meiner Wahlheimat – weiß ich schon lange zu schätzen, und so habe ich einige Sehenswürdigkeiten rechtsrheinisch entlang des Rheins bei Bonn zusammengetragen.

Mit Fotoapparat gewappnet schwang ich mich aufs Fahrrad und radelte mit Muskelkraft – elektromotorische Unterstützung benötigt man am Rhein nicht wirklich – die sehenswürdigen Kleinode ab. Meine Tour begann auf der Insel Grafenwerth im Süden Bonns und endete in Schwarzrheindorf im Bonner Norden.

 

 

An den Fang von Aalen,

erinnert im kleinen Jachthafen der Insel Grafenwerth ein 1917 gebauter Aalschokker, namens „Aranka“, der als eines der letzten Fischereischiffe erst 1990 außer Dienst gestellt wurde. Rheinlachs und Aale wurden in nicht geringen Mengen gefangen und zählten noch im 19. Jahrhundert zu den preiswerteren Nahrungsmitteln in der Region. So preiswert, dass in Köln eine Regelegung erlassen wurde, nach der Hausangestellte von Kölner Bürgern wenigstens einmal pro Woche etwas anderes zu essen bekommen mussten als Lachs oder Aal. Professioneller Fischfang fand im Rhein bis in die 1950`er Jahre statt und fand sein Ende durch die zunehmende Verschmutzung des Rheins und die aufkommende Nacht-Schifffahrt.



Der Aalschoker "Aranka" zwischen Königswinter und der Insel Grafenwerth mit Blick auf den Drachenfels.



Der Aussichtspunkt befindet sich mittig auf der Brücke, die den alten Rheinarm überquert und die Insel Grafenwerth mit dem Festland verbindet. Über die „Aranka“ hinweg wird der Blick magisch von der Burgruine „Drachenfels“ angezogen. Hier muss man einfach verweilen und das Panorama des Siebengebirges genießen. Die meisten Touristen zieht es hoch zum Drachenfels, der seit Jahrzehnten durch eine Zahnradbahn erschlossen ist, um von dort die Aussicht in und über das Rheintal zu genießen. In meiner Kindheit stand eine Schifffahrt und das Erklimmen des Drachenfels per pedes einmal im Jahr auf dem Programm – und langweilig wurde es uns dabei niemals.

Vom Belvedere der Brücke aus radelte ich weiter Richtung Bonn, als ich mich plötzlich von einem Riesen beobachtet fühlte. „Na, das muss ich mir jetzt genauer betrachten!“, sagte ich zu mir und näherte mich einem Gebäude mit Augen, Nase, Ohren und einer Türe als Mund gestaltet: eine phantasievoll ummauerte, lachende Trafostation, 1986 nach Plänen von Prof. Wolfgang Krenz (Architekt aus Königswinter) zur Versorgung einer Siedlung mit Elektrizität errichtet. Damit war der Phantasie des Architekten aber noch keine Grenzen gesetzt. Auf der Rückseite führt eine Treppe zum Dach des Gebäudes. Neugierig geworden, erklomm ich die angeflanschte Plattform, schaute ins Oberstübchen und erblickte darin eine vogelähnliche Plastik. Nun, meine Vorstellungskraft führte nur zu einer Erklärung, was dies zu bedeuten hätte – wobei ich mich aber auch irren könnte. Soll es wirklich heißen: „Wir haben eine Meise.“?


Die "lachende Trafostation" in Niederdollendorf, gebaut nach Plänen des Prof. Wolfgang Krenz (Architekt)


Einige Kilometer weiter befindet sich die nächste lohnenswerte Etappe, ein in den letzten fünfzehn Jahren neu gestaltetes und neu bebautes ehemaliges Industriegebiet, den „Bonner Bogen“.

 

 

Der „Bonner Bogen“,

lädt aus dreierlei Gründen zum Verweilen ein.

Zum einen gibt es von dort, zurückschauend Richtung Süden, eine weitere wunderschöne Perspektive auf das Siebengebirge und den durch die Biegung sehr breit, seenartig wirkenden Rhein. Zum anderen verführen verschiedene Restaurants unterschiedlicher Preiskategorien mit leckerem Essen und schöner Aussicht zur Einkehr.

 

Nicht unerwähnt bleiben darf das Ensemble alter Industriebauten und extravagant gestalteter neuer Gebäude. Die Werkhallen und Verwaltungsgebäude der in den 1850`er Jahren errichteten Bauten des „Bonner Bergwerks- und Hütten-Vereins“ wandelten sich nach ihrer Restaurierung Mitte der 1990`er Jahre in Domizile für Büros und ein italienisches Restaurant. Die Bergwerks- und Hütten-Verein AG wurde ursprünglich zum Bergbau und zur Alaunherstellung gegründet. Später folgte die Zementherstellung, und das Unternehmen wurde umgewandelt in die „Bonner Portland-Zementwerk AG“. Die Lage hier am Bonner Rheinbogen eignete sich in idealer Weise zum Ent- und Beladen der benötigten Materialen und Produkte.

Nach der Liquidation des Unternehmens im Jahre 1987 stellte sich die Frage nach der weiteren Nutzung des Areals. Dieser Abstimmungsprozess gestaltete sich, wie Jahre später auch die Diskussionen um weitere Erneuerungsvorhaben der Stadt Bonn äußerst zäh und zeitraubend. Gut zehn Jahre später ging es dann ab 1998 los. Auf dem brachliegenden Areal wurden nach und nach Bauwerke unterschiedlicher architektonischer Formgebung errichtet.

Besonders ins Auge fallen hier inzwischen das Lifestyle-Hotel „Kameha Grand Bonn“ im wellenförmig geschwungenen Design, wie auch drei benachbarte Bauten, die der Gestalt von Schiffen nachempfunden sind und eine Klinik sowie verschiedene Büros beherbergen.


Das Kameha Grand Hotel (wellenförmig), ein Gebäude-Ensembel in Form von Schiffen (Privat-Klinik, Restaurant, Büros) und die alte Zementfabrik (Büros) am Bonner Bogen, Blick auf das Siebengebirge


War das Ufer hier während der industriellen Nutzung des Geländes ideal zur Ankerung von Transportschiffen, ist es heute genauso perfekt für die Personenschifffahrt, und so legen hier die Schiffe der „Bonner Personen Schiffahrt“ auf ihren Rundfahrten zwischen Bonn und Linz an.

 

 

Der „Sonnenkönig“ von Bonn

– so wird scherzweise der Inhaber und Gründer der Firma „SolarWorld“ (Frank Asbeck) genannt – verewigte sich an der Kennedybrücke, die das Bonner Zentrum mit dem Stadtteil Beuel verbindet, indem er der Stadt Bonn eine Solaranlage zur elektrischen Versorgung der Brücke spendete. SolarWorld florierte solange sehr gut, bis chinesische Konkurrenz als wesentlich preiswerterer Mitbewerber auf dem Markt drang und eine staatliche Regulierung dieses Marktsegmentes seitens Deutschlands oder der Europäischen Union unterblieb.

An dieser Brücke ankert eine weitere Besonderheit, die man weltweit wohl woanders vergebens sucht: ein chinesisches Restaurant, untergebracht auf einer ausrangierten Personen- und Autofähre, gebaut 1929 als Rheinfähre „Königswinter II“. Dieses „Pagoden-Restaurant-Schiff“, welches die Beueler Silhouette seit 2004 prägt, drehte bis 2012 immer wieder zur Freude seiner Gäste ein paar Runden auf dem Rhein. Allerdings mussten diese beliebten Panoramafahrten nach Erlass neuer Fahrgastbestimmungen 2012 eingestellt werden. Das tat jedoch der Attraktivität des Schiffes und des Restaurants keinen Abbruch; denn anders als es bei vielen Restaurants Usus ist, blieb hier der Wirt seiner Kundschaft über all` die Jahre bzw. Jahrzehnte treu.


Die "Kennedy Brücke" mit den Solarpanelen, gespendet von Solarworld, und Blick auf das Chinarestaurant (Schiff, ehemalige Fähre "Königswinter") und das Beueler Rheinufer.


Nun steuerte ich mein letztes Etappenziel an,

 

die Doppelkirche von Schwarzrheindorf,

die Maria (Oberkirche) und Sankt Clemens (Unterkirche) geweiht ist. Die auf einer Anhöhe errichtete Kirche fällt durch ihren mächtigen Vierungsturm bereits von weitem auf, egal aus welcher Himmelsrichtung man sich ihr nähert. Allerdings ist der Begriff „Doppelkirche“ hier irreführend; denn es handelt sich nicht um zwei voneinander getrennte Kirchen, sondern um übereinander angelegte Etagen.

Der Bau dieser romanischen Kirche wurde um 1149 von Arnold von Wied (von 1151 bis 1156 Erzbischof und Kurfürst von Köln) beauftragt, auf seinem Gut errichtet und am 24. April 1151 in Gegenwart des Staufer-Königs Konrad III. eingeweiht.

Aufgrund ihrer Architektur und ihrer reichhaltigen und gut erhaltenen bzw. restaurierten romanischen Deckenmalereien ist sie heute weit über Bonn bekannt und zählt zu den bedeutendsten romanischen Kirchen Deutschlands.

Aber es hätte auch anders kommen können. Das, was die Kirche besonders ausmachte, geriet über Jahrhunderte in Vergessenheit und das kam so: Nach dem Tode Arnolds im Jahre 1156 wandelte seine Schwester, Hadwig von Wied, das Gut und die Kirche in ein Benediktinerinnen-Kloster um. Es folgte die Nutzung als Damenstift, das 1804 aufgelöst wurde. Und während dieser Zeiten hat man – warum auch immer - die prächtigen Malereien bis zur völligen Unkenntlichkeit übertüncht.

Erst 1863 wurde entdeckt, welche Kunst sich unter der Tünche verbarg. So wurde kurz nach deren Wiederentdeckung mit den Restaurierungsarbeiten begonnen, dank derer die ab 1868 erneut als Pfarrkirche genutzte Doppelkirche im alten Glanz erstrahlen und ihre heutige Berühmtheit erlangen konnte.

Die Doppelkirche von Schwarzrheindorf


Betritt man die Kirche und geht einige Schritte Richtung Altarraum, nimmt man eine achteckige Öffnung wahr und muss unweigerlich den Blick nach oben auf die Malereien richten, in denen nach mittelalterlicher Vorstellung das himmlische Jerusalem und Heilige sowie hervorgehobene Persönlichkeiten dargestellt sind. Bilder waren eben im Mittelalter nicht nur zur Zierde gedacht, sondern erzählten Geschichten –  die Zeit war noch nicht reif für eine allgemeine Alphabetisierung.

Die achteckige Deckenöffnung, über die der obere Kirchenteil mit dem unteren Teil gut sichtbar und hörbar verbunden ist, erlaubt, das jeweilige Geschehen in einem Teil der Kirche aus dem anderen Teil zu verfolgen. So wurde angenommen, dass der obere Teil für die „Herrschaften“ und der untere Teil für das „Volk“ gedacht waren.

Es ist auffallend, dass die innere Struktur Ähnlichkeiten mit dem Oktogon des Aachener Doms und seinen oberen Rundgängen hat. Ganz ohne jeglichen Zweifel ist der unter dem Deckendurchbruch angebrachte achteckige Kronleuchter dem „Barbarossaleuchter“ des Aachener Doms nachempfunden.

Insofern ist die Annahme erlaubt, dass sich Arnold von Wied durch die Architektur des Aachener Doms hat inspirieren lassen oder aber mit den von hier entliehenen Stilelementen Karl dem Großen huldigen und/oder den deutschen Kaisern imponieren wollte.

weitere (R)einblicke


Nun habe ich Ihnen einige kleine Einblicke gegeben, keine der großen, für die Bonn weltweit bekannt ist, einfach nur ein paar Kleinode.