| Kamel DaoudBücherlesung der Deutsch-Maghrebinischen Gesellschaft e.V. mit Kamel Daoud zu seinem Roman "Zabor"
„Ein Haus mit vielen Fenstern ist heller, luftiger und lässt mehr von der Welt außerhalb herein, als eins mit nur einem Fenster. In welchem möchtest du lieber wohnen?“ Mit diesem Vergleich beantwortete Kamel Daoud die Frage seines 16-jährigen Sohnes, als dieser ihn fragte, warum er denn andere Sprachen lernen solle, was ihm doch zu anstrengend sei. Diese kleine Anekdote zu seinem Verständnis über den Wert, sich anderen Menschen und Kulturen zu öffnen, Vorurteile zu überwinden oder gar nicht erst zuzulassen, gab der Journalist und Autor Kamel Daoud anlässlich der Präsentation seines neu erschienenen Buches „Zabor“ preis.
Ismaël, der Protagonist, der sich selbst „Zabor“ (Zabor heißt Psalm) nennt, wächst in einem kleinen algerischen Dorf ohne moderne Kommunikationsmittel auf. Sobald er lesen kann, verschlingt er jedes Buch, das ihm in die Hände fällt – und das sind nicht viele. Manches versteht er dabei noch nicht, wenn es nicht seinem Alter entspricht. Und wenn er nichts neues auftreiben kann, dann liest er Bücher eben noch einmal und noch einmal und entdeckt so seine Liebe zur Literatur. Irgendwann beginnt er selbst zu schreiben und erkennt dabei seine Gabe, das Leben Sterbender zu verlängern, solange er über den Sterbenden schreibt. Das Buch ist in drei Teile aufgeteilt: I) Der Körper, II) Die Sprache, III) Extase.
Unklar blieb dabei, inwieweit die frühen Jahre und die Entdeckung der Literatur durch Ismaël autobiografischen Charakter hat. Aus der anschließenden Frage- und Antwort-Runde schließe ich, dass sich hier eigenes Erleben und Fiktion vermischt. So las Kamel Daoud manches Buch bis zu fünfzehn mal, zum Beispiel Robinson Crusoe, das zu einem seiner Lieblingsbücher wurde. Robinson Crusoe sieht Daoud als ein immerzu aktuelles Buch der Menschheitsgeschichte an: zwei Fremde treffen unvermutet aufeinander und wissen erst einmal nicht, wie sie daraufhin reagieren sollen. Welche der Möglichkeiten sollen sie ergreifen? Den anderen töten oder ihn wegjagen nach dorthin, von wo er gekommen ist? Gefangen nehmen und/oder ihm seinen Willen, seine Kultur aufzwängen, ihn assimilieren? Oder den anderen so nehmen, wie er ist und mit ihm kooperieren?
Ebenso lesenswert ist „Der Fall Meursault – Eine Gegendarstellung“, das Kamel Daoud als eine Fortsetzung und nicht als Kritik an Camus` „Der Fremde“ verstanden wissen möchte. Hier gibt Daoud dem namenlosen Algerier, der von Meursault in einem Reflex erschossen wird einen Namen und eine Geschichte.
Für diejenigen, die mehr über die Menschen der Maghreb-Staaten und deren Kultur erfahren möchten oder eben auch nur bildhafte, fesselnde Literatur mögen, kann ich die beiden im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienenen beiden Bücher von Kamel Daoud empfehlen. |
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