Der „fleißigste Bach“ Deutschlands und tausende fleißige Hände.

Maltesermühle, Pulvermühle (Gut Schiff), Igeler Mühle, Alte und Neue Dombach, Villa Zanders, Gohrsmühle.

Das sind nur wenige der hervorzuhebenden frühindustriellen Kleinode entlang der Strunde von seiner Quelle in Herrenstrunden bis zum Gelände der Papierfabrik Zanders. Deren Eigentümer, private Investoren und die Stadt Bergisch Gladbach haben in den letzten zwanzig Jahren weder Mühe noch Kosten gespart, um diese Denkmäler zu erhalten oder zu restaurieren. Dank der Förderung durch die Europäische Union wurden zudem im Rahmen der „Regionale 2010“ Teile der Strunde im Zentrum von Bergisch Gladbach renaturalisiert und der über lange Jahre vernachlässigte Wander- und Fahrradweg von der Strunde-Quelle bis nach Bergisch Gladbach ausgebaut. So kann sich der Wanderer oder Radler diesen landschaftlich schönen und frühindustriell interessanten Bereich nun wieder erschließen, ohne mit seinen Wanderschuhen oder seinem Fahrrad im tiefen Match stecken zu bleiben. So macht es wieder Freude, hier seine Muskeln zu betätigen. Auch für den Geist ist hier gesorgt: neben Hinweisschildern mit wesentlichen Informationen über Bedeutung und Geschichte der kulturhistorischen Monumente bringen entlang des Strundeverlaufs auchTafeln mit poetischen Betrachtungen zum Wasser die kleinen grauen Zellen in Gang. Verspürt jemand Hunger oder Durst oder beides: Sorgen sind nicht angebracht, denn für eine Stärkung bieten sich angekommen am Ziel Strundequelle, gleichermaßen gastfreundlich das rustikale Gasthaus „Zur Quelle der Strunde“ und das gehobene Restaurant und Café „Malteser Komturei“ an. Auch unterwegs mangelt es nicht an Einkehrmöglichkeiten, zum Beispiel auf dem Gelände des Papiermuseums etwa drei Kilometer vom Bergisch Gladbacher Stadtzentrum entfernt oder in Herrenstrunden auch die „Dröppelminna“ (zu seinen Lebzeiten war der bekannte Kölner Volksschau-spieler Willy Millowitsch hier Stammgast). Als Motivation für kleinere Kinder mag sehr gut der Spielplatz auf dem Gelände des Papiermuseums dienen, liebevoll und gut ausgestattet, auch Dank privater Spenden. Wer allerdings einige zeitlang Ruhe vor seinen Kindern haben und dafür in Kauf nehmen möchte, sie im Krankenhaus zu besuchen, dem sei der „Spielplatz“ am Weiher in Herrenstrunden empfohlen: scharfkantige Bruchsteine begrenzen einen Sandkasten und das unmittelbar benachbarte, nicht abgesicherte Gewässer lädt zum Hineinfallen ein.

 

Perspektivwechsel durch Richtungswechsel und

Quellwasser zum Durstlöschen.

Nicht selten findet jemand durch einen einfachen Perspektivwechsel ganz neue Erkenntnisse oder geografisch betrachtet, eine neue, unbekannte Landschaft vor.

Dieser banalen Erkenntnis folgend mache ich mich auf zur von Bergisch Gladbach sieben Kilometer entfernten Strundequelle. Solche Distanz ist zu kurz, um radelnd meinen Körper auf optimale „Betriebstemperatur“ zu bringen. Einmal hin und dann wieder zurückgefahren: das ist nur wenig besser, zumal es sich um eine sehr leichte Wegstrecke mit wenig Höhenmetern handelt. Allerdings ist dieser Streckenabschnitt leicht zu verlängern, aber dann wird`s auch abenteuerlich. Gefährlich ist es im selben Maße, durch das bergische Land oder durch die Stadt inmitten schnell fahrender PKWs und Lastwagen zu radeln. Schlecht ausgebaute und ruinierte Radwege, die dann auch noch an den gefährlichsten Stellen unterbrochen sind, sind eher etwas für Abenteurer als für sportliche Menschen. Berücksichtigt der Ausflügler dies, dann macht es Spaß, hier entlang der Strunde.

Ich nehme das Abenteuer und die Gefahren auf mich und begebe mich nach Herrenstrunden, um die Erkundung der Strunde an ihrer Quelle zu beginnen. Kurz vor Beginn dieser Etappe betrachte ich die neu eingefasste Quelle und die Sprudel, die mit dem Wasser aus der Tiefe aufsteigen. Bevor mich die im Wasser und in den Bläschen gebrochenenund tanzenden Farben der Sonnenstrahlen in einen somnambulen Zustand versetzen können, werde ich durch eine nonkonform gekleidete jüngere Frau aus meinen Betrachtungen heraus gerissen. Oder habe ich doch schon halluziniert und bin einer Fee ansichtig geworden? Rückblickend bin ich sicher, dass es keine war; denn meine Wünsche gingen nicht in Erfüllung, ich bin aber auch nicht dem Rat dieser Frau gefolgt. Nun – um es kurz zu machen – die Dame war in Begleitung ihrer beiden kleinen Kinder und füllte einige Kanister mit dem Quellwasser, das ihrer Meinung nach von bester Qualität sei und eine gute Alternative zu den industriell aufbereiteten Mineralwassern. Die Quelle selbst liegt auch gut geschützt in Waldgebiet, aber ringsherum gibt es genügend Weiden, die mit Gülle gedüngt werden und eben auch intensiven Autoverkehr. Wer weiß, was hier alles so ins Grundwasser geschwemmt wird und über die Strundequelle wieder ans Tageslicht kommt. So starte ich von hier aus ohne mich mit Quellwasser zu versorgen.

 

Nicht nur vermeintliche Feen wollen verführen, auch Gastronomen.

Als erstes Denkmal verlangt die Malteser-Komturei, ein ehemaliger Verwaltungs- und Wohnsitz des Johanniterordens, meine Aufmerksamkeit.

Es ist nicht bekannt, auf welches Jahr genau die Gründung der Kommende oder Komturei datiert werden kann. Die Johanniter selbst waren hier seit Anfang des 13. Jahrhunderts tätig und seit 1270 durch Übertragung berechtigt an den Einkünften aus den Ländereien um Herrenstrunden. Bekannt ist jedenfalls, dass die Johanniter-Kommende durch Teilung der Kommende Schloss Burg entstand und erstmalig im Jahr 1290 urkundlich erwähnt wurde. Egal wo auch immer, mir wird bewusst, dass im 12./13. Jahrhundert in Deutschland ein umfänglicher Verwaltungs- und Strukturwandel einsetzte. Als kirchenkundlich nicht sonderlich bewanderter Mensch lerne ich hier auch (wieder neu?), dass sich  der Orden der Johanniter im Zuge der Reformation um 1530 in „Malteser“ umbenannte.

Direkt gegenüber der Komturei befindet sich die ebenfalls besichtigungswerte Römisch-katholische Kirche „St. Johann Baptist“, deren Kern aus einer um 1345 errichteten Kapelle dieser Kommende besteht.

Zur Kommende zählte auch die Maltesermühle, ein wunderschönes, aber nicht zu besichtigendes in privatem Besitz befindliches Anwesen, 2014 restauriert und von außen schön anzusehen. Dieses baulich und kulturhistorisch herausragende Dreieck wird jedoch durch eine sehr stark frequentierte Ortsdurchfahrt geteilt und damit nicht wenig getrübt. Umso schöner lässt es sich auf der alten Trasse von Herrenstrunden nach Spitze wandeln. Durch ihre Steigung nicht mehr für den heutigen Autoverkehr geeignet, bietet sie für den Wanderer und Radler ein Ambiente, wie es im Allgäu nicht schöner zu finden ist.

  • 1_Strundequelle
  • 4_Malteser Komturei
  • 2_Burg Zweifel
  • 3_Die Strunde

Von ihrer Quelle bis zur Mündung in den Rhein bringt es 

die Strunde auf zwanzig Kilometer Länge.

Auf ihrem Verlauf bis zum Rhein trieb der „fleißigste Bach Deutschlands“ dank eines Höhenunterschieds von 200 Metern in seiner besten Zeit bis zu 50 Mühlen an, darunter Getreide- Walk-, Öl- undPulvermühlen sowie die Papiermühle in der „Alten Dombach“.

Was wäre Bergisch Gladbach heute ohne die fleißige Strunde, dem Geschäftssinn des Kölner Kaufmanns Phillipp von Fürth (Niederländer, Papierfabrikant) und die fleißigen Hände, die  1582 an der Schnabelsmühle mit der Herstellung von Papier begannen und den wirtschaftlichen Aufschwung und den Wohlstand der Stadt maßgeblich förderten. Wem ist nicht Papier der Marke „Zanders“ bekannt, gegründet 1822 von Johann Wilhelm Zanders und bis 1965 in Familienbesitz. Danach wechselten die Besitzverhältnisse, ein Gang an die Börse folgte und schließlich die Übernahme aller Aktien durch den Hauptaktionär, dem finnischen Unternehmen Metsä-Serla. In seinen Anfängen, im 16. Jahrhundert versorgte der Papier-Standort in Bergisch Gladbach die im nahegelegenen Köln ansässigen Buchdrucker, Grundlage für die dann folgende jahrhundertelange Prosperität. Im Zuge der sich im 20. Jahrhundert beschleunigenden Globalisierung verlor die bekannte Zanders-Qualität ihr Alleinstellungsmerkmal, die weltweite Konkurrenz besonders aus sogenannten Billiglohnländern holte auf. Zu teuer wurden die notwendigen Investitionen in eine neue Papiermaschine, um weltweit mithalten und als selbständiges Unternehmen überleben zu können. Heute arbeiten noch etwa 500 Menschen in der „Metsä Board Zanders GmbH“ in Bergisch Gladbach

 

  • 5_am Wegrand
  • 6_am Papiermuseum
  • Gerhard_Februar_Nr. 1 128
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