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Sankt Martin, Hambacher Schloß (Rheinland-Pfalz, südliche Weinstraße)
Ein radelnder Reporter per pedes unterwegs in der südlichen Weinstraße (Rheinland-Pfalz, Sankt Martin, Hambacher Schloss)
Freier Blick in die Landschaft, Festival der deutschen Freiheitsbewegung von 1832/1848, Paradies für Wanderer und Liebhaber guten Weins und die Frage, wie Kastanien und Wein zueinanderstehen.
Kastanien soweit das Auge reicht, tiefe Wälder, weite Blicke in die Landschaft und die Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie. Neben gutem Wein und traditioneller Küche erschließt sich dies dem Besucher der„Südlichen Weinstraße“ bei Sankt Martin. Unsere erste Wanderung beginnt direkt am Parkplatz „unseres“ Hotels und uns fällt auf, dass unser Weg gesäumt ist von Kastanien, Kilometer über Kilometer. Das wirft natürlich Fragen auf! Was hat eine solche Masse an Kastanienbäumen in einer Gegend zu suchen, die überwiegend vom Wein lebt? Dass guter Wein in Eichenfässern gelagert wird, ja das war mir bekannt. Gelernt habe ich hier, dass neben dem Holz von Steineiche und Sommereiche auch Kastanienholz für Lagerung und Reife des Weins sehr gut geeignet ist. Beide Holzarten geben zudem mehr als jedes andere Holz durch Abgabe von Aromastoffen dem Wein besondere Noten. Der Vorteil der Kastanie ist es, schneller zu wachsen als Eiche. Obwohl auch die Kastanie mindestens eine mittelguteBodenqualität benötigt, um gedeihen zu können, lag es doch nahe, in den weniger gut für Wein geeigneten Lagen Kastanien anzusiedeln. So ergeben sich kurze Transportwege für das benötigte Holz und vielfältige Arbeitsmöglichkeiten für die an der Weinkultivierung mittelbar beteiligten Berufsgruppen. Nachteilig dagegen ist die höhere Anfälligkeit der Kastanie für Holzwürmer, die die Lebensdauer eines Fasses merklich verkürzen kann.
Unser Weg führt uns durch relativ dichte Wälder, über malerische Bachläufe – zum Beispiel über die Hilschwasserfälle – hinweg. An einem Wald-Kreuzweg machen wir Rast. Mit zwei, drei Unermüdlichen steige ich den Kreuzweg hinauf bis zur Gedenkstätte für die „Heilige Ottilia“, der Patronin für Blinde und Sehgeschädigte. Peinliche Erlebnisse verankern sich tief im Gedächtnis, weil mit starken Emotionen verbunden. So kommt hier an dem für die „Heilige Ottilia“ errichteten Kreuz wieder das grummelige Bauchgefühl auf, dass mir vor Jahrzehnten widerfuhr als ich im Elsass an der „Ottilienquelle“ eine lästerliche Bemerkung machte. Die neben mir französisch parlierenden Menschen waren Elsässer und somit auch gut des Deutschen kundig. Nicht deren Einwand erzeugte mir dieses schlimme Bauchgefühl. Nein, es war mir peinlich, nicht daran gedacht zu haben, dass ich mich auf bilingualem Terrain befand. Danach geht es weiter, auch zu felsigen Aussichtspunkten. So genießen wir bei Diedesfeld den freien Blick vom „Taubenkopf“ aus, der es auf eine Höhe von 604 Metern bringt und zum Gebirgszug Haardt des Pfälzerwaldes gehört. Ein am Wegesrand liegender Findling erweckt unsere Aufmerksamkeit. Es ist der „Dichterhain“, in den der Verkehrsverein von Sankt Martin 1929 zu Ehren der Mundartdichter August Heinrich, Fritz Claus und der Mundartdichterin Lina Sommer die Konterfeis der drei einmeißeln ließ. Desweiteren kommen wir an dem sogenannten „Innungsstein“ vorbei, ebenfalls ein mächtiger Findling, in dem verschiedene Handwerker-Symbole eingemeißelt sind, zum Beispiel die Hausmarken eines Metzgers, eines Bäckers und natürlich die eines Winzers.
Das Hambacher Fest, "Woodstock" des 19. Jahrhunderts und Manifestation des menschlichen Grundbedürfnisses nach Freiheit, Gleichheit und Demokratie. „Euer Majestät! Heute sind die deutschen Zeitungen sämtlich mit Beschreibungen des scandalösen Hambacher Festes gefüllt. … Es könnte wohl kaum ein größeres Scandal geben … Vor ein paar Jahren feyerte der König (Anmerkung: der bayerische) ein Constitutionsfest, bei dem Grafen Schönborn zu Gaybach. Diesmal feiern es die deutschen Revolutionäre …“, so berichtete Fürst Metternich am 04. Juni 1832 an Kaiser Franz. War jemand ein „Hambacher“, dann zählte dieser zum Kreise der „Hochverräter. Denn das vom 27. Mai bis zum 01. Juni 1832 in der damals zu Bayern gehörenden Pfalz zu Füßen und auf dem Grund des Hambacher Schlosses durchgeführte Fest gilt unter den beinahe in ganz Europa stattfindenden gleichartigen Festen als Höhepunkt der bürgerlichen Opposition im sog. Vormärz. Hier in Hambach kamen etwa 30.000 Demonstranten zusammen. Alle diese politischen Volksfeste, waren auch gegen die Restauration absolutistischer Herrschaft gerichtet, wie sie der Adel zu eben dieser Zeit anging (s.a. „Wiener Kongress“, Sept. 1814 bis Juni 1815). Politisch waren sie bei weitem nicht so bedeutungslos, wie sie später dargestellt wurden. Diese Feste eröffneten eine Art gesellschaftliche Katharsis nach der alles anders wurde. Hier führte es zum Ausbruch eines neuen Lebensgefühls, das sich gegen alles Obrigkeitliche richtete. Die im „Deutschen Bund“ zusammengeschlossenen (Klein-)staaten verschärften daraufhin die Repression. Viele der aktiv Beteiligten, wie Karl Heinz Brüggemann (Journalist, Festtagsredner auf dem Hambacher Fest), ein Anhänger von Philipp Jakob Siebenpfeiffer (Jurist und politischer Journalist,Herausgeber der Zeitschriften „Rheinbayern“ und „Der Bote aus Westen“, wesentlicher Mitinitiator des Hambacher Festes) wurden zuerst zum Tode verurteilt und dann zu jahrelangen Zuchthausstrafen „begnadigt“. Andere wanderten in die Vereinigten Staaten von Nordamerika aus und machten zum Teil politische Karriere, wie zum Beispiel Gustav Körner. Eine solche Auswanderungswelle demokratischer Aktivisten wiederholte sich nach Niederschlagung der Märzrevolution 1848/1849. Wie uns die Geschichte zeigte, konnten sich trotz all dieser Repressionen und Rückschläge letztlich die „richtigen Ideen“ durchsetzen. Ob dies in der Menschheitsgeschichte immer der Fall sein wird – Hoffnung für die Zukunft der Menschheit? Übrigens, zur Erinnerung an die journalistische Arbeit Siebenpfeiffers wird seit 1987 alle zwei bis drei Jahre der „Siebenpfeiffer-Preis“ durch die „Siebenpfeiffer-Stiftung“ an kritische und engagierte Journalisten vergeben. „Die Presse muß nothwendig frei sein, denn sie ist die Stimme aller, ihr Schweigen ist der Tod der Freiheit, jede Tyrannei, welche eine Idee morden will, beginnt damit, daß sie die Presse knebelt.“, so Siebenpfeiffer. Kein Wunder, dass auch dieses Wort Metternich in Rage gebracht hat. Heute wäre zu ergänzen, dass auch jeder Käufer von Zeitungen dazu beiträgt, dass der Journalist/die Journalistin frei, unabhängig und kritisch berichten kann. Dazu zählt, dass die Leserin, der Leser auch mal aushalten muss, wenn sie/er seine eigene Meinung mal nicht 1:1 wieder findet.
Ein Friedensdenkmal, entstanden aus einem der vielen „Siegesdenkmäler“. Nach dem für die Preußen und seine Verbündeten siegreichen Krieg 1870/1871, den das sich eben gründende Deutsche Reich gegen Frankreich führte, wurden bekanntlich landauf, landab Siegessäulen und Siegesdenkmäler errichtet. So auch 1899 hier bei Edenkoben. Irritierend war für mich auf den ersten Blick, dass dieses Denkmal als „Friedensdenkmal“ ausgewiesen wurde, sowohl auf den Wegweisern dorthin als auch direkt am Denkmal. Entsprach dies damals – Ende des 19. Jahrhunderts – der in Deutschland vorherrschenden Denkmuster, noch voll im Taumel ob des Sieges gegenüber Frankreich und in Freude über die Reichsgründung? Sicherlich nicht! Heute sind wir weiter – hoffentlich täusche ich mich da nicht – und stellen den Frieden und die Freiheit über alles. Diesem Gedanken und dem Motto des deutschen Antikriegstages (jährlich am 01. September) folgend: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ war es nur folgerichtig, dem 1899 errichteten „Siegesdenkmal“ eine neue Bedeutung zu geben: dem eines Mahnmals für den Frieden. Hier umso wichtiger in Anbetracht der Nähe zu Frankreich. Was mir auf den ersten Blick nicht auffiel war die Tatsache, dass sich in der Hand der Reiterfigur (Foto unten links) nicht ein Schwert, sondern ein Palmzweig (ein christliches Friedenssymbol) befindet. Das entsprach ja nun wirklich nicht der Denke dieser Zeit. Was ist die Erklärung für diesen Gegensatz zwischen Symbol und der damaligen Gedankengänge? Die Antwort hierauf ist, dass die Gemeinde Edenkoben 1969 anlässlich ihrer 1.200-Jahr-Feier das ursprünglich vorhandene Schwert gegen diesen Palmzweig austauschte und zeitgleich das „Siegesdenkmal“ in „Friedensdenkmal“ umtaufte – ein Vorbild in Anbetracht der sicherlich noch tausende zählende „Siegesdenkmäler“.
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