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Dahner Felsenland (Rheinland-Pfalz /Wasgau) Ein radelnder Reporter per pedes unterwegs im Dahner Felsenland, dem Rheinland-Pfälzischen „Burgenland“
Burgruinen auf hohem Fels, Heimstätte so mancher Raubritter und Paradies für Wanderer, Sportkletterer,Mountainbiker und Musterbrecher
Bizarre Felsformationen und Felsenburgen mit weitem Blick in die Landschaft sowie deftige Malzeiten, die die deutsche und französische Küche miteinander in Einklang zu bringen vermögen. Das alles prägt das Dahner Felsenland, gelegen im Südwesten der Pfalz, direkt ander französischen Grenze (Nordelsass). Ein reichhaltiges Angebot, um hier – genauer gesagt im Wasgau – mäandernd zwischen Deutschland und Frankreich ein paar Tage zu verbringen. Dabei begegnen uns auch wieder die aus Fribourg (Schweiz, „Die neue Woche in Australien“ – DNW – Nr. 24 vom 17. Juni 2014) und aus Heilbronn (DNW, Nr. 34 vom 26. August 2014) bekannten Ritter und Fürsten, die Staufer, die Sickinger und die Habsburger, um nur einige wenige zu nennen, die hier im Einflussbereich der Deutschen und Franzosen, der Schweizer und Burgunder ihre Macht und Interessen zu festigen versuchten. Erbaut wurden die zahlreichen Felsenburgen,von denen wir Wegelnburg, Hohenbourg (Elsass) und Burg Löwenstein besuchten, im unruhigen 13. Jahrhundert. Alle diese Burgen wurden im Laufe ihrer Geschichte mehrmals zerstört und wieder aufgebaut, wechselten mehrfach ihre Besitzer bis sie letztlich im 17. Jahrhundert nicht mehr als Verteidigungsanlagen benötigt wurden und seitdem als Ruinen die Landschaft schmücken. Beim Betrachten dieser „Schmuckstücke“ erinnere ich mich an das interessante, aber leicht surrealistisch anmutende Buch von Herbert Rosendorfer „Der Ruinenbaumeister“ (dtv 11391, 1991,ISBN 3-423-11391-x). Danach werden Gebäude erst dann interessant und erreichen einen Zustand der Schönheit, wenn sie Ruinen geworden sind. Im Buch verfolgt dieser Baumeister dann die Philosophie, direkt und ohne den "Umweg" über Zerstörung oder Zerfall Ruinen neu zu errichten. Ein Mangel dieser Ruinen ist dann aber auch deren Geschichtslosigkeit – es herrschte ja kein Leben in diesen so geschaffenen Artefakten. Auf jeden Fall ist es spannend, sich diesen alten Felsenburgen zu nähern, von einem Gebäudeteil in den nächsten zu gehen, treppauf, treppab auch in Kellergewölbe (sofern vorhanden und zugänglich), um dann in den Gemäuern zu erkunden, welchem Zweck die einzelnen Gebäudeteile wohl gedient haben. In ähnlicher Weise bin ich als Kind mit gleichaltrigen Freunden in den Ruinen von Köln-Ehrenfeld „herumgeturnt“ – dort allerdings um Dimensionen gefährdeter – auch, ohne irgendeinen Gedanken daran zu verschwenden, welche grauenhafte und mörderische Zeit eben mal zwölf Jahre her war. Von den höheren Resten dieser Burg-Anlagen aus genießen wir freie Sicht in die Pfälzer Landschaft, die hier geprägt ist von weitgehend bewaldeten „Kegelbergen“ – Zeugen aktiver geologischer Vorgänge – mit deutlich abgerundeten Kuppen und Höhen bis zu 580 Meter.
Land der „outlaws“? Müssen wirklich neben früheren Raubrittern auch – aus Wanderers Sicht – Mountainbiker dazu gezählt werden? Jedenfalls lerne ich hier bei unseren Begegnungen mit Mountainbikern, dass „man als Wanderer diese nicht zu grüßen hat“. Weil sie die Freiheit lieben, sich nicht unbedingt an Regeln halten und manchmal „verbotene“ Wege nutzen (was auch ich nicht unterstütze)? Hier übe ich mich jedenfalls als Musterbrecher – und grüße: immerhin fühle ich mich diesen sportlich radelnden Mitmenschen auch etwas verbunden als „Hybrid-Sapiens“, der sich sowohl zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Auto fortbewegt. Wer also aktive Freizeitgestaltung in einer „robusten“ Landschaft liebt, dem werden im Dahner Felsenland vielfältige Möglichkeiten geboten. Auch wird hier eine große Auswahl thematisierter Touren angeboten, darunter der „Raubritter-Fahrradwanderweg“. Dies ist einer unter zwölf Fahrradstrecken zwischen 18 und 50 Kilometern und verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Ich habe mir vorgenommen, bei einem zweiten Ausflug in diese Region die Raubritter-Tour mit einer Strecke von etwa 40 Kilometern und mittlerem Schwierigkeitsgrad zu radeln. Dabei wird mich der Weg mit Sicherheit auch die Wege des Raubritters Hans von Trotha (geboren um 1450 in Krosigk, gestorben 26.Oktober 1503 auf Burg Berwartstein) kreuzen lassen. Im Volksmund „Hans Trapp“ genannt, durchlief dieser Ritter die typische „Karriereleiter“ so manches Raubritters. Er diente schließlich im Elsass wie in anderen Regionen „Knecht Ruprecht“ als Gegenpol zum heiligen Nikolaus, also als Angstmacher für „nicht brav gewesene“ Kinder: "Pass auf, sonst kommt der Trapp und ..." (o.ä.). Was machte diesen Spross eines erzbischöflichen Marschalls zum „Raubritter“? Begonnen hatte seine Kariere in Diensten der Kurfürsten und Pfalzgrafen zu Heidelberg. Zur Belohnung für seine Dienste erhielt er im Wasgau die Burgen Berwartstein und Grafendahn übereignet. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wuchsen seine Auseinandersetzungen (damals wie heute typische Rangeleien um Besitztümer zwischen Mächtigen) zu kriegerischen Fehden aus, zum Beispiel mit dem Abt des Ordens der Benediktiner. In Folge wurde Hans von Trotha mit dem Kirchenbann und der Reichsacht belegt. Seinem bis dahin von der Obrigkeit geförderten „Geschäftsmodell“ wurde somit die juristische Grundlage entzogen – und weil er seinen „Geschäfte“ weiterhin in gewohnter Weise nachging, mutierte er zum „Raubritter“. Übrigens wurde er etwa zwei Jahre nach seinem Tode vollkommen rehabilitiert. Sei es so oder so, jedenfalls lebt es sich angenehmer, solchen Herren nicht über die Wege zu laufen – und so wird (hoffentlich) auch der Ausflug entlang des „Raubritter-Wanderweges“ nur in verklärter Romantik an diese Gestalten erinnern.
Die tragbare Telefonzelle versagt hier dank der Topografie zumeist ihren Dienst und so kann der modern ausstaffierte Zeitgenosse ohne eigen - oder fremdinduzierte Störung in Ruhe wandern oder tagen. Telefonzelle, Fernsehapparat, Musiktruhe und Fotoalben in einem: also das „Smartphone“ (frei nach dem deutschen Kabarettisten Wilfried Schmickler) kann getrost im Hotel verbleiben – und wird von mir nicht vermisst – befinden sich doch in unserer Gruppe Hobby-Geologen und Hobby-Historiker. Immer wieder sehen wir auf unseren Wanderungen wunderbare wabenartige Verwitterungen im Buntsandstein. Ich erfahre erneut – eigentlich von der Schule her bekannt –, dass durch das Zusammendrücken der afrikanischen und der eurasischen Platten die Gesteinsschichten nach oben gedrückt wurden und die Alpen entstanden. Hier nördlich der Alpen, unter anderem im Bereich des heutigen Pfälzer Waldes, führte dieser Prozess zur Ausdünnung des Erdmantels und im Laufe der Jahrmillionen zu Aufwölbungen und Einsenkungen.Dabei wurde unter anderem der Buntsandstein herausgehoben und zum Teil freigelegt. Die Erosion, so Wind, Regen und Eis taten Weiteres, schufen die auffallenden Wabenverwitterungen und verschaffen uns Einblick in die verschiedenen Gesteinsschichten. Aber auch bizarre Felsformationen, wie den „Teufelstisch“ und den „Pferchfeldturm“ am Pferchfeldfelsen, heute ein Paradies für Kletterer. Wegen Höhenangst als „nicht-turmtauglich“ befundener Mensch tröste ich mich damit, dass es schöner ist, in die freie Landschaft zu schauen als auf eine 15 cm vor mir befindliche Felswand. Auch, dass Goethe unter Höhenangst gelitten und diese auf dem Dach des Straßburger Münsters überwunden haben soll, hilft mir nicht weiter. Goethe soll seine Höhenangst überwunden haben, indem er sich über Tage (oder Wochen) hinweg zuerst auf dem Bauch robbend, dann auf Knien und schließlich stehend immer mehr dem Rand eines Turmes des Straßburger Münsters genähert hat und hinunter in die Tiefe schaute. Zu seiner Zeit gab es dort noch kein Geländer. Ich also habe mich entschlossen, die Höhenangst nicht zu bekämpfen, sondern mit ihr zu leben. Also, mit der Nasenspitze an einer Felswand kleben, überlasse ich anderen – und bereue es hier nicht. Denn landschaftlich sowie von Fauna und Flora her betrachtet, bietet diese Region reichlich Abwechslung. Zum Beispiel malerisch in die Landschaft eingebettete kleine Seen, die zum Picknick einladen. Ein solches Picknick nutzten wir zum Beobachten der Vogelwelt, von mit stoischer Ruhe auf Beute wartende Reiher, gemächlich dahin paddelnde Enten bis zum bunten Treiben der zahlreichen Wald- und Wiesenvögel. Wobei sich uns einige von ihnen näherten, um Brot- und Kekskrumen zu „schnorren“. |
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