Das Siegtal von Bonn (Beuel) nach Hennef 

 

Ein radelnder Reporter unterwegs auf dem Siegtal-Radweg 

 

Etwa einen Kilometer entfernt von der Siegmündung in den Rhein, nördlich von Bonn, endet in Höhe einer Gierseilfähre der Siegtal-Radweg, der nahe der Siegquelle im Naturpark Rothaargebirge beginnt.

Die ersten warmen sonnigen Tage waren nach diesem Winter 2013/2014, wenn dieser auch außergewöhnlich milde war, doch sehr verlockend. So schwinge ich mich aufs Rad, um als erste leichte „Trainingseinheit“ einen kleinen Teil des 128 km langen Siegtal-Radweges entlang zu radeln: von Bonn nach Hennef (und zurück).

Die Radtour beginnt bei einer der letzten noch in Deutschland betriebenen Einmann-Personen-Gierseilfähren, die an ihrer heutigen Stelle seit 1777 das Bonner Siegufer mit dem Troisdorfer verbindet. Das Besondere an einer„Gierseilfähre“ (auch „fliegende Brücke“ genannt) ist, dass sie zur Querung eines Flusses dessen Strömung nutzt. Entwickelt wurde dieser Fährentyp, der außer der natürlichen Strömung keinen weiteren Antrieb benötigt, um etwa 1650 von dem Niederländer Hendrick Heuck.  

Der heutige Kahn der Sieg-Gierseilfähre trägt den Namen „St. Adelheid“ und wurde 2005 in Betrieb genommen. Seine Namenpatronin ist die heilige Adelheid von Vilich (Vilich ist heute ein Stadtteil von Bonn). Adelheid lebte von ca. 970 bis 1015 (oder 1018) und war die erste Äbtissin der 978 in Vilich von ihren Eltern gegründeten Benediktinerinnen-Abtei. Bekannt geworden ist Adelheid als Wohltäterin für arme und notleidende Menschen. An Adelheid erinnern heute noch neben der jährlichen „Adelheidis-Wallfahrt“ nach Pützchen (ein weiterer Bonner Stadtteil nahe Vilich) auch die Bonner Großkirmes „Pützchens Markt“ und das traditionelle „Dohlenbrot“, das stets zu ihrem Gedenktag (ihrem Todestag am 5. Februar) gebacken wird. Adelheid wurde am 27. Januar 1966 von Papst Paul VI. heilig gesprochen.

Ab dieser Fähre führt der Radweg auf der Bonner Seite zuerst auf einem Damm entlang, vorbei an den Siegauen und den Resten einer kleinen Wallfahrtskapelle.

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Schon von weitem ist der „Michaelsberg“ genannte Kegel eines erloschenen Vulkans zu sehen, „gekrönt“ von einer Kirche und Gebäuden der Benediktiner-Abtei „St. Michael“.

Nach etwa 15 km führt derSiegtal-Radweg an Siegburg vorbei, dessen ehemalige Benediktiner-Abtei auf dem Michaelsberg, etwa 40 Meter über Siegburg gelegen, von weitem zu sehen ist. Das Kloster wurde 1064 vom Kölner Erzbischof Anno II. gegründet und dem Erzengel Michael gewidmet. Seitdem trägt auch der Siegburger Berg den Namen Michael. Unter der Herrschaft Napoleons wurde auch dieses Kloster säkularisiert und bis 1914 weltlich genutzt, zuerst als sog. „Irrenanstalt“ und danach als Zuchthaus (Gefängnis). Die Stadt Siegburg erwarb 1910 den Michaelsberg samt Kloster in der Absicht, hier wieder den Benediktiner-Orden anzusiedeln. Nach Genehmigung durch Preußen am 28. Februar 1914 trafen im Juli desselben Jahres die ersten Mönche des Benediktinerordens (aus den Niederlanden) ein. Der Benediktinerorden betrieb das Kloster bis 2011, bis sie es mangels geistlichen Nachwuchses nach beinahe 100 Jahren aufgeben mussten. Heute werden die Klosteranlagen von aus Indien stammenden Ordensleuten („Unbeschuhte Karmeliten) und dem „Katholisch Sozialen Institut der Erzdiözese Köln“ (KSI) genutzt.

Die Geschichte der Abtei Michaelsberg spiegelt letztlich die gesamte religiöse und politische Geschichte seit ihrer Gründung bis in die Neuzeit wider. Im Zuge der Reformen von Cluny, ausgehend vom burgundischen Benediktinerkloster Cluny, wurde auch die Abtei Michaelsberg als Reformkloster bekannt, wenn sie auch nicht so weit in ihren Reformen ging wie Cluny. So blieben die Klöster, die dem Siegburger Reformmodell folgten, weiterhin eingebettet in die örtlichen Diözesen und waren somit nicht dem Papst direkt, sondern weiterhin den Bischöfen unterstellt.  

Anno II., der Kölner Erzbischof, entstammte einem schwäbischen Adelsgeschlecht und nahm zeitweise eine beherrschende Stellung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ein. Das kam so: Als im Jahre 1056 Kaiser Heinrich III. im Alter von 38 Jahren starb, hinterließ er einen sechsjährigen Sohn. Die Regentschaft sollte bis zu seiner Volljährigkeitserklärung dessen Mutter Agnes wahrnehmen. Allerdings führte ihre Regentschaft zu einer weitverbreiteten Unzufriedenheit, die Anno II. nutzte, indem er ohne größeren Widerstand den elfjährigen Thronfolger Heinrich durch Entführung in seine Gewalt brachte. Gemeinsam mit weiteren Fürsten übte sodann Anno II. „in Heinrichs Namen“ die Herrschaft im Reich aus. Auf dem Höhepunkt seiner Macht gelang es Anno II. das Papstschisma zugunsten des rechtmäßig gewählten Papst Alexander II. zu beenden.

Ab etwa 1065 verlor Anno II.  zusehends an Macht und erreichte einen persönlichen Tiefpunkt, als ihn Papst Alexander II. zu einer öffentlichen Buße zwang. Offizieller Anlass war Annos Umgang mit gebannten Bischöfen. Anno II. war einfach politisch wie wirtschaftlich zu mächtig geworden und dies verursachte gleichermaßen Unruhe im hohen Adel wie im hohen Klerus. Letztlich erhoben sich auch die Kölner Bürger, seit jeher freiheitsliebend wie tolerant, gegen sein strenges herrschaftliches Regime und vertrieben ihn aus Köln. Den Aufstand der Kölner Bürger konnte Anno II. letztlich mit Hilfe eines bewaffneten Heeres niederwerfen und seinerseits die Aufständischen aus Köln verbannen. Anno II. starb 1075. Sein Leichnam wurde in einer dreitägigen Prozession zu allen Kölner Stifts- und Klosterkirchen getragen und in einer Nebenkapelle der Abtei Michaelsberg beigesetzt.  

Anno II. wurde im Jahre 1183 heiliggesprochen.

 

Neben der Abtei „St. Michael“ befindet sich noch ein malerischer Rest einer zum Schutz vor den „Grafen von Berg“ errichteten Wehranlage: der sogenannte Hexenturm.

Als etwa Mitte des 13. Jahrhunderts die Grafen von Berg, deren Herrschaftsgebiet weite Teile rechtsrheinisch von Köln umfasste, auf dem Michaelsberg direkt dem Kloster benachbart eine Burg errichteten, begann eine jahrhundertelange Fehde. Aus dieser Fehde entwickelte sich 1403 sogar ein offener Krieg zwischen den Grafen von Berg auf der einen Seite und dem Kloster und der Stadt Siegburg auf der anderen. Später folgten die Wirren des dreißigjährigen Krieges, dann weitere kriegerische Auseinandersetzungen mit dem Herzog von Jülich und Berg, in deren Verlauf die Burganlage um 1670 weitgehend zerstört wurde.

Östlich der Abtei ist aufdem Michaelsberg noch ein Rest der alten gemeinsamen Befestigungsanlage derAbtei und Stadt Siegburg zu sehen, der sogenannte „Hexenturm“. Seinen Namen erhielt dieser  Turm, weil er im Mittelalter Schauplatz einer Hexenverbrennung gewesen sein soll, was aber nicht belegt ist.

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Nach diesem Halt an historischer Stätte, führt mich mein Weg dann weiter bis Hennef, wo ich dank der Sonne auf der Terrasse des Gasthauses „Sieglinde“ Rast machen kann, ehe ich mich glücklicher Weise mit Rückenwind auf den Heimweg mache. Hier im Gasthaus Sieglinde finden in den Sommermonaten immer wieder Konzerte verschiedenster Art statt, allerdings keine klassischen. Wer nicht auf Kalorien achten will oder muss, dem sei hier ein Glas (oder auch mehrere) vom Siegtaler Landbier (vom Fass, dunkel, würziger Geschmack) und einsaftiges Steak empfohlen.

 

 

Literaturhinweis (kleineAuswahl):

 

Josef Niesen, „BonnerPersonenlexikon“, Bouvier, Bonn 2007, ISBN 978-3-416-03159-2

Dieter Lück, „Anno II. vonKöln“, Rheinische Lebensbilder, Band 7, Rheinland Verlag, 1977, ISBN3-7927-0282-7 (Seiten 7 bis 24)

Jörg Kastner, „Anno 1074Aufstand gegen den Kölner Erzbischof“, Bastei Lübbe-Verlag, 1998, ISBN3-404-14139-3