Coburg

Vorab eine kleine Anekdote    

Vor vielen Jahren erzählte mir die Wirtin des Gasthofes "Goldenes Kreuz" folgende kleine  Begebenheit:

 

Ein junges, aus Coburg stammendes Paar wollte einige Zeit in London verbringen, um dort zu arbeiten, seine beruflichen Erfahrungen um internationales Wissen zu ergänzen und auch, um seine englischen Sprachkenntnisse zu perfektionieren - kurz gesagt, es ging eben um alle Aspekte, warum jemand zeitweise ins Ausland geht. 

Die Wohnungssuche verlief gelinde gesagt äußerst frustrierend. In Deutschland angefangen, nach einer bezahlbaren Wohnung in London oder nahe London zu suchen, dann auf gut Glück in ein Hostel, um vor Ort vielleicht erfolgreicher zu sein ... irgendwann schiere Verzweiflung. Wie so manchmal im Leben ergab sich dann ein enormer Glücksfall. Beide meldeten sich wieder einmal telefonisch auf ein Wohnungsangebot und erzeugten sofort bei den ersten begrüßenden Worten eine überraschende Euphorie bei der älteren und wie sich herausstellte vornehmen Dame, die die Wohnung angeboten hatte. Das Paar stellte sich daraufhin persönlich vor und erhielt schließlich mit Freude auf beiden Seiten den Zuschlag. Was war passiert? Aufgrund ihrer damals noch schlechten Englischkenntnisse, erzeugten die beiden bei der Dame den Eindruck, im näheren oder weiteren Sinne mit dem Coburger Fürstenhaus verwandt zu sein - und die Lady, eine begeisterte Royalistin wußte natürlich um die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem englischen Königshaus und den Fürsten von Sachsen-Coburg und Gotha. Und so kamen die "... von Coburg" zu ihrem ersehnten Domizil in London. 

 

Nach dieser Erzählung folgte sodann seitens der Wirtin die für sie typische, gelispelte Frage: "... noch ein Bierchen, Schätzchen?" (die ehemaligen Gäste des "Goldenen Kreuzes" haben diese Frage und deren Intonation sicher noch gut im Gedächtnis).

Egal von wo aus sich der Reisende Coburg nähert: die Veste Coburg ist von weitem zu sehen

Coburg, eine Stadt die nach eigener Darstellung „einen Bogen zwischen Geschichte und Moderne spannt“ nach dem Motto „Werte und Wandel“.  

 

Auf geschichtlichen Spuren - Coburg:  

ein radelnder Reporter unterwegs nach Oberfranken. 

Samba, funkelnde "Edelsteine" und der "Lutherweg". 

In „Die Neue Woche“ Nummer 21 vom 27. Mai 2014 berichtete ich über die Fränkische Schweiz und Bamberg („Gründung des Castrum Babenberch“). Hier in Bamberg endete ein Wochenende mit „meiner“ Wander- und Radfahrgruppe, das uns von Ochsenfurt über Würzburg bis zum Trubachtal und nach Bamberg geführt hatte. Und hier ereilte mich die Idee, unseren nächsten Verwandtenbesuch Mitte Juli 2014 in Coburg dafür zu nutzen, von Bamberg nach Coburg zu radeln.

Radwanderer können für diese Tour zwischen zwei Alternativen wählen: dem „Itzgrund-Radweg“ oder einem Teilstück des „MainRadweges“. Auf den ersten Blick bietet sich der „Itzgrund-Radweg“ mit 52 km Kilometern und sehr wenigen Höhenmetern an. Nachteilig ist jedoch, dass ein großes Teilstück dieses Radweges parallel zur B4 verläuft und diese Bundesstraße sehr stark befahren ist, nicht zuletzt von LKWs. So entschied ich mich für die zweite Alternative. Entlang des „MainRadweges“ von Bamberg bis nach Lichtenfels zu radeln und von dort „quer“ durchs Land entlang des "Fränkischen Jakobsweges" nach Coburg bedeuten allerdings, zusätzliche acht Kilometer und 500 Höhenmeter zu akzeptieren: eine ambitioniertere körperliche Herausforderung. Nach meinem Geschmack ist das Maintal und die von dort aus gebotene Aussicht, unter anderem auf den Staffelberg (bei Bad Staffelstein), das Kloster Banz und die Basilika Vierzehnheiligen eben auch reizvoller.

Bereits kurz nach Verlassen Bambergs eröffnet sich dem Radler (oder Wanderer) ein schöner Blick auf das Obere Maintal, den Oberen Main mit seinen vielen kleinen benachbarten Seen. Ein erstes lohnendes Etappenziel ist Zapfendorf, ein wunderschöner Blick auf den See und bis hin zum Staffelberg. Trinken, trinken und nochmals trinken ist aus Erfahrung angesagt und so „vernichte“ ich einen nicht geringen Teil meines Wasservorrates, esse etwas Obst und … natürlich Schokolade (die Schokolade muss ich erwähnen, sonst bin ich für diejenigen, die mich kennen, nicht mehr glaubwürdig).  

 

Nicht nur eine vom Teufel angefachte Gier nach Land kann zum Tode führen (frei nach Tolstoi), auch eine Steine-Sammelwut birgt Gefahren in sich. 

Während dieser Rast mit Blick auf den Staffelberg erinnere ich einen Familienausflug, der uns vor vielen Jahren vom Staffelberg nach Vierzehnheiligen führte und zwar an einem ebenso heißen Sommertag. Hier gibt es kaum Schatten – Sonnenschutz, Sonnenhüte sind angesagt. Für uns vier – für meine Ehefrau und unsere beiden Töchtern – beide waren so um die sechs bzw. acht Jahre alt – und für mich schleppte ich bei großer Hitze einen Rucksack mit Getränken und Picknick. Anfangs war ich froh, dass Durst und Hunger den Rucksack zunehmend leerten und ich weniger zu tragen hatte, bis unsere Töchter hier das reichhaltige Angebot an Versteinerungen und Steinen entdeckten. Nichts half. Kein gutes Zureden. Auch mein Versuch, die Sammelwut zu stoppen, indem ich Tolstois Kurzgeschichte „Wie viel Erde der Mensch braucht“ erzählte, führte nicht zum gewünschten Ergebnis. Und so füllten meine Töchter, besonders aber die jüngere meinen Rucksack nach und nach mit subjektiv gesehen „ganz tollen“, „funkelnden“ Steinen, nein „Edelsteinen“ – und ich ging immer krummer, beinahe wie ein alter erdverbundener Bauer, das Ende des landgierigen Bauern aus Tolstois Erzählung vor Augen. Dieser erreichte ja völlig entkräftet seinen Zielpunkt (der auch der Ausgangspunkt seiner Landnahme war) und schleppte sich beinahe auf allen „Vieren“ die letzte Anhöhe hinauf. Er verstarb als die Sonne hinter diesem Hügel verschwand. Hätte er noch die Kraft gehabt, aufrecht zu gehen, wäre seine Geschichte womöglich anders ausgegangen: dann hätte er wahrgenommen, dass die Sonne zwar sehr tief stand, aber eben noch nicht gänzlich untergegangen war. Dieses Schicksal vor Augen, warf ich insgeheim immer wieder Steine weg.

Der Ehrlichkeit halber muss ich aber erwähnen, dass die Sammlung unserer Töchter wirklich ganz interessante Fossilien beinhaltete.

Ohne Zweifel, hier oben auf der Höhe – der Jurahöhe zwischen dem Staffelberg und Vierzehnheiligen – befindet sich für Sammlerinnen und Sammler von Versteinerungen ein wirkliches Eldorado. Was ist die Ursache dafür, dass die hiesigen Bauern von „Einheimischen“ scherzhaft als „steinreich“ bezeichnet werden? Die hier zu findenden Fossilien haben ihren Ursprung in dem Meer, das sich vor über200 Millionen Jahren hier ausdehnte, und in den darauf folgenden geologischen Veränderungen, aus denen zum Beispiel der über 500 Meter hohe „Berg der Franken“, der Staffelberg hervor ging (s. Literaturhinweise).  

 

Und weiter geht`s den Fränkischen Jakobsweg lang, der Topographie wegen nicht immer im „Sause-Pedaltritt“.

Bei Bad Staffelberg nehme ich den Fränkischen Jakobsweg, vermeide soweit möglich die Höhen, vor allem aber verkehrsreiche Straßen und nehme in Kauf, mehrmals mein geliebtes Rad schieben zu müssen. Erst mal geht es zügig weiter, bei Vierzehnheiligen verbleibe ich im Tal – oben im Trubel der Devotialienläden inmitten von Touristen würde ich mich ohnehin nicht wohl fühlen –, in Lichtenfels gönne ich mir eine längere Rast, von dort fahre und schiebe ich mich Richtung Coburg voran mit Ziel Salvatorkirche, an der der Fränkische Jakobsweg vorbei führt. Dabei genieße ich die Landschaft, die Ruhe, immer wieder aufgestellte Ruhebänke mit schönem Blick ins Land und betrachte einige religiöse Haltepunkte für Pilger. In Coburg angekommen, besichtige ich kurz die auf dem Salvatorfriedhof befindliche Salvatorkirche. Die Kirche wurde in den Jahren 1660 bis 1662 aus Steinen des im 30-jährigen Krieg zerstörten Schlosses Schlettach errichtet. Bei diesem sakralen Kleinod handelt es sich um eine Saalkirche, die ursprünglich ein Tonnengewölbe hatte, welches jedoch auch Sicherheitsgründen umgestaltet werden musste.

Wer das Reisen betreffend sich eher der Meinung Martin Luthers zugeneigt fühlt: „… lass raisen wer da will, bleib du daheim.“, dem bietet sich in Coburg eine interessante Alternative: der „Lutherweg“ in und um Coburg herum (nähere Informationen unter www.luther2017-bayern.de und www.luther2017-bayern.de/wp-content/uploads/Lutherwegführer-Coburger-Land-2012.pdf)

 

Auf den Spuren Queen Victorias, der (fürstlichen) „Großmutter Europas“

Am 10. Februar 1840 fand die Hochzeit von Victoria und Albert von Sachsen-Coburgund Gotha statt (beider Geburtsjahr: 1819). Victoria liebte Albert abgöttisch und wird dessen frühen Tod im Dezember 1861 nie überwinden. Zu seinem Gedenken lässt sie weltweit Unmengen von Albert-Denkmälern errichten. Unter anderem auch in Coburg (das Prinz Albert-Denkmal wurde am 26.08.1865 im Beisein von Queen Victoria eingeweiht, es steht auf dem Marktplatz), wo sie während ihrer Besuche im Schloss Ehrenburg wohnt. Hier, in  ihren Räumlichkeiten werden zu ihrer Entlastung und alleinigen Nutzung – Victoria ist bereits zurückhalten gesagt, Korpulent geworden und ihr fällt das Treppensteigen zunehmend schwer – für die damalige Zeit modernste Einrichtungen installiert: dies sind eine Toilette mit Wasserspülung (womöglich die erste auf dem „Kontinent“) und ein handbetriebener Personenaufzug.

Dazwischen – in ihren glücklichen Tagen – lagen die Geburten ihrer neun Kinder, aber auch so dramatische Ereignisse wie das Revolutionsjahr 1848, die große Hungersnot in Irland mit bis zu 1,5 Millionen verhungerte Menschen und der Krimkrieg 1853-1856. Welche Meinung Victoria zu Revolten und Revolutionen hatte, lässt sich leicht erraten; nicht aber, dass sie persönlich Kriege als politisches Mittel eher ablehnend gegenüber gestanden haben soll – im Krimkrieg zwischen dem Osmanischen Reich und Russland unterstützt sie zum Beispiel das Osmanische Reich nur sehr halbherzig.

Viel ist über Queen Victoria in der Literatur zu finden, hier sei nur noch erwähnt, wie sie zu ihrem Spitznamen „Großmutter Europas“ kam. Diesen hat sie ihren zahlreichen Nachfahren zu verdanken: ihre neun Kinder (5 Töchter und 4 Söhne) brachten 41 Enkelkinder und 864 weitere Nachkommen hervor. Wären Familienbande wirklich über alles erhoben, wären Europa die schrecklichen Kriege der letzten beiden Jahrhunderte erspart geblieben.

 

Wer in Coburg weilt, muss natürlich auch die Veste besichtigen, auch die dort untergebrachten Kunstsammlungen (das Kupferstichkabinett, die Sammlung venezianischer Gläser, die Jagdwaffen und die Rüstkammer mit dem Harnisch der „Zwerges“ Ruppert).

Seit 1992 findet jeweils im Juli ein Samba-Festival statt, dass die gesamte Innenstadt mit Rhythmus und Trubel ausfüllt – ein sehr schöner und bunter Kontrapunkt, der sicherlich auch die in jungen Jahren lebenslustige, gerne Party feiernde Queen Victoria angezogen hätte. Die über 100-jährigen Coburger/Innen erinnern sich ja noch gerne an die Empfänge auf dem Schlossplatz vor der Coburger Oper, wenn dieHerzogsfamilie Opernaufführungen besuchte.    

Coburg, Spitalgasse und Spitaltor

Das Stadthaus Coburg gegenüber dem Rathaus

Coburg, Rathaus

Das Gasthaus Loreley (neben dem Schlossplatz)

Ketchengasse und Ketchentor

Auf der Höhe nahe der Veste Coburg