Saarburg – Historische Weinstadt an der Saar


Ein uns bislang unbekanntes kleines Städtchen in wunderschöner Umgebung findet sich in Rheinland-Pfalz.

Dieser „weiße Flecken“ auf unserer Wanderkarte musste erkundet werden. So folgten wir dem Rat des Saarländers unserer kleinen Gruppe, diese Wissenslücke zu schließen, und das war gut so.

Wir näherten uns von Trier kommend Saarburg, gelegen an der Mündung der Leuk in die Saar.

Als erstes fällt uns die auf der Anhöhe Churbelum gelegene malerische Ruine der namensgleichen Burg in die Augen. Wären wir jedoch über die Route Merzig bzw. Saarlouis angereist, hätten wir auch die am Fuße des Hügels entlang der Saar aneinandergereihten Häuser wahrnehmen können. Diese stammen meist von Anfang des 18. Jahrhunderts und sind allesamt individuell gestaltet. Wenn auch in etwa gleicher Größe errichtet, strahlen sie alles andere als die Langeweile heutiger Normgebäude aus.

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Am ersten Abend – wir hatten viel Glück und konnten hier den Spätsommer bei angenehmen Temperaturen erleben – ließen wir uns zum Aperitif auf der Terrasse des Hotels Villa-Keller nieder. Von hier aus bietet sich über die Saar hinweg der schönste Blick auf die Burganlage Saarburg und die am Fuß der Anhöhe aufgereihten Häuser an: beinahe schon ein „kitschiges“ Postkartenmotiv, besonders mit zunehmender Dämmerung durch die sanfte gelbliche Beleuchtung.

Der erste Rundgang nach unserer Ankunft führte uns entlang der Leuk am „Amüseum“ (Museum der Handwerkerberufe, 1366 als erste Mühle an der Leuk errichtet) vorbei zur Kirche St. Laurentius. Nach einem Blick in die Kirche, tangierten wir das Mühlenmuseum, durchquerten die Gasse „Staden“, deren pittoreske Häuserreihe von Merzig kommend zu sehen sind und dann zurück zum umfangreichen gastronomischen Angebot entlang der Leuk, dort, wo sie noch ruhig vor sich hinplätschert.

Auffallend ist hier – wie auch in anderen mittelalterlichen Städten – die enge Bebauung, damals wie heute brandschutztechnisch höchst problematisch. Um die Gefahr unkontrollierbarer Feuersbrünste zu mindern, verlegten die Stadtplaner im 13. Jahrhundert den Verlauf der Leuk in die Mitte der alten Stadt. Neben der Funktion als Wasserreservoir für die Feuerwehr durch kleine Brücken und reichlichen Blumenschmuck zudem eine malerische Bereicherung des alten Saarburger Zentrums – auch Klein-Venedig genannt.

Später bin ich mit einem Teil der Gruppe noch einmal diesen Weg gegangen – man kann sich nicht daran sattsehen –, um an einer Führung im Gießereimuseum „Glockengießerei Mabilon“ teilzunehmen.

 

Die Klause bei Kastel und der Kasteler Felsenpfad -

ein „Premiumwanderweg“, aber auch ganz schön anstrengend: ohne Stöcke ist der Wanderer verloren. Das Gelände der Klause und der Felsenpfad lassen kein „Multitasking“ zu: beim Gehen ist höchste Konzentration geboten, und zwar auf den Weg und auf nichts anderes. Diese heutzutage beinahe unmögliche Einschränkung (Blick weg vom Smartphone …) öffnet dem Wanderer Natur- und Baudenkmäler einzigartiger Schönheit. 

Das Gelände der Klause umfasst mehrere Orte einer Pilgerstätte, zu denen ein Pilgerpfad führt, an dessen Rändern Höhlen in den Felsen geschlagen wurden. Diese Höhlen sollten die Stätten des Christentums in Palästina symbolisieren, unter anderem frühchristliche Kirchen.

Auf einem Felsvorsprung befindet sich zweigeschossige Kapelle, die um 1600 vom Franziskanermönch Romery gegründet wurde. Bei Sonnenschein wird der Innenraum durch bunte Glasfenster farbenfroh durchflutet.

Vorher jedoch führt der Pfad an eine der Felsenkammern vorbei, die Kapelle St. Helena, auch „Kreuzauffindungskapelle“ genannt. Sie ist der „Heiligen Helena“ gewidmet, die einer Legende zufolge im 3. Jahrhundert in Jerusalem das Grab und das Kreuz Christi entdeckt haben soll.

 

 

 

 

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Im Laufe der Jahrhunderte verlor dieses Ensemble zunehmend an Bedeutung: auch christliche Pilger waren und sind nicht frei vom Zeitgeist und folgen Modetrends.

Neuen Stellenwert verschaffte der Anlage König Friedrich Wilhelm IV., der die inzwischen verfallene Eremitenklause von 1835 bis 1838 in tiefer Verehrung für König Johann von Böhmen (gestorben 1346 in der Schlacht von Crécy während des hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich) zur Grabkapelle ausbauen ließ. „Johannes der Blinde“ (Johann von Böhmen später aufgrund einer Erblindung so genannt) galt als die Personifizierung des Ritterideals – vielleicht einer der Gründe, weshalb Friedrich Wilhelm IV. ihn so verehrte.

Architekt war niemand anderes als der preußische Baumeister, Stadtplaner und Maler … Karl Friedrich Schinkel, bekannt zum Beispiel durch den „Berliner Dom“, das Berliner Schloss sowie die „Neue Wache“ und die „Alte Nationalgalerie“ in Berlin.

Der Felsenpfad selbst führt entlang des Hochplateaus von Kastel-Staadt, begrenzt von massigen Feldformationen und steilen Abhängen. Immer wieder blieben wir stehen, um die wunderbaren Blicke auf Bachläufe und Kulturdenkmäler gefahrlos genießen zu können.

Nicht verwunderlich ist, dass dieses durch die Topografie gut geschützte Hochplateau bereits durch die Kelten als Stätte für heilige Orte ausgewählt wurde. So befinden sich hier historische Schätze aus den Jahrhunderten des Keltenstammes der Treverer (woraus sich der heutige Name der Stadt Trier ableitet) und der Römer bis zur preußischen Zeit.

 

Mühsam ist der Weg auf den Turm der Ruine Saarburg,  

wird jedoch sogleich durch Blicke auf die Stadt und deren Umland belohnt. Für diejenigen, die nicht so gut zu Fuß sind, die Höhe und die etwa 160 engen Stufen bis zur Plattform des Turms hinaufzuklimmen, bietet die Terrasse der Burgschenke (mit PKW erreichbar) einen beinahe ebenso schönen Panoramablick und zudem guten Wein aus dem nahegelegenen Weinort Ayl.

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Die Geschichte der Burganlage Saarburg beginnt mit einem Vertrag vom 17. September 964, mit welchem Graf Siegfried von Luxemburg die Errichtung einer Burg erlaubt wurde. Viel später, Anfang des 13. Jahrhunderts entwickelte sich unterhalb der Burg langsam die heutige Stadt Saarburg, die sodann recht bald, Ende des 13. Jahrhunderts, genau 1291, durch König Rudolf von Habsburg die Stadtrechte erhielt.

Besiedelt war das Gebiet jedoch bereits in vorgeschichtlicher Zeit durch den Keltenstamm der Treverer.

So mühsam sich der Weg zur Burg von der Saarseite aus gestaltet, so gut war sie eben auch zu verteidigen. Insbesondere während der Religionskriege im 16. Jahrhundert schützte ihre ideale strategische Lage die Burg gegen anstürmende Feinde. Deren Verluste müssen furchtbar gewesen sein.

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts verlor die Burg zunehmend an Bedeutung. Die Art, Krieg zu führen, hatte sich geändert, und auch die Abwesenheit von zeitgemäßem Komfort tat ihr weiteres. So verfiel die Burg nach und nach, bis die Stadt Saarburg die Burg 1860 für „n`en appel un en ei“ – wie der Kölner sagen würde – kaufte.  

 

Die Geschichte der Glockengießerei in Saarburg

begann im Jahre 1770 als der Glockengießer Urbanus Mabilon aus Frankreich zuwanderte und die Erlaubnis zum Bau einer Glockengießerei erhielt. Aus Brandschutzgründen wurde ihm jedoch ein Gelände außerhalb der Stadtmauer zugewiesen. Heute noch zu erkennen durch einen Teil der alten Stadtmauer, die zugleich auch eine Begrenzung der Werkstätten bildet.

Die Geschichte der Glockengießerei endete 2002 nach mehr als 230 Jahren erfolgreiche Arbeit.

Weil der letzte Glockengießermeister Wolfgang Hausen-Mabilon in den 1950`er Jahren nicht dem Trend folgte, mit seinen Werkstätten in das neue Industriegebiet außerhalb Saarburgs zu ziehen, konnte dieser inzwischen denkmalgeschützte Gebäudekomplex in seiner ursprünglichen Form erhalten bleiben.

Hier wurden uns Einblicke in die Kunst der Glockengießerei geboten: von der Fertigung der Formen, inklusive dem Geheimnis der Berechnung des Glockentons (welches auch uns nicht offengelegt wurde), der Bedeutung der „falschen Glocke“ (der Teil der mehrschichtigen Lehmformen, der vor dem Guß entfernt wird und der Metall-Legierung die Glockenform gibt), der Verbindung von Glocke und „Krone“ (an der die Glocke aufgehängt wird) und letztlich auch dem Prozedere des Gusses.

So oder so: keiner der einzelnen Arbeitsschritte, die durch spezialisierte Handwerker ausgeführt wurden, war etwas für empfindliche Männer. Angefangen von der Fertigung der Lehmmischung, für die auch Urin benötigt wurde, über das Einwalken von Rinderfellhaaren bis eben zum Umgang mit flüssigem Metall.

Interessant waren für uns auch der eigentliche Akt des Gusses und die Maßnahmen zum Schutz der Betriebsgeheimnisse.

Während des Gusses waren um die Dammgrube der Geistliche und ausgewählte Gemeindemitglieder der Gemeinde, die die Glocke bestellt hatte, versammelt. Oberhalb der Grube brannte neben einer Statuette des heiligen Josef eine Kerze. Ein kurzes Gebet wurde gesprochen. Es herrschte eine würdige Stille, in der der Meister der Stimmung gemäß leise Anweisungen gab und den Guß freigab.

Bis der Guß erkaltet war und die Formen abgeschlagen werden konnten, vergingen einige Tage.

 

 

 

 

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Letztlich wurde der gewünschte Ton (dass hierbei fünfzehn Halbtöne mitschwingen, wusste ich bislang nicht) durch letzte feine Schleifarbeiten unter Leitung des Meisters herbeigeführt, der diese stets mit Hilfe einer einstellbaren Stimmgabel überprüfte.

Für den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebes unbedingt notwendig war neben äußerst präziser Arbeit auch die Wahrung des Betriebsgeheimnisses. Im Grunde ganz modern diente die Arbeitsteilung bei Planung und Anfertigung der Formen nicht nur der Qualität, sie verhinderte auch, dass sich ein Handwerker das gesamte Wissen aneignen konnte. Nur der Meister selbst verfügte zum Beispiel über die Geheimnisse zur Mischung der richtigen Legierung und der Berechnung der Glockentöne. Nur er gab die für den gewünschten Klang benötigten speziellen Formen vor.

Sein Wissen über Details und deren Zusammenwirken gab er zudem nur einem Sohn weiter und zwar demjenigen, der den Betrieb fortführen sollte.

 

Schlussbemerkung

Die Glockengießerei Mabilon besichtigend, machte ich mir auch Gedanken über Migration und Flucht - aktuell nicht nur in Deutschland immer wieder das Thema.

Eine kulturelle und wirtschaftliche Bereicherung für Saarburg war ohne Zweifel die Zuwanderung des Franzosen Urbanus Mabilon. Bekannt ist neben der ehemaligen Glockengießerei auch die Saar-Sektkellerei Hausen-Mabilon.

Alles das Gesehene und Erlebte reflektierend komme ich nicht umhin festzustellen, dass ich mich sehr glücklich fühle, nicht auf der Flucht vor Krieg und Terror zu sein und auch nicht meine Heimat verlassen zu müssen, um überleben zu können. Im Gegenteil, ich empfinde es als ein großes Glück, in ein reiches und sicheres Land hineingeboren worden zu sein und ein privilegiertes Leben führen zu können, unter anderem all` dies in und um Saarburg ohne Sorge erleben und Ihnen, liebe Leser, darüber berichten zu können.