| Memories of Heidelberg
Inbegriff der Romantik für Touristen aller Länder. So wird das Schloss Heidelberg, besser gesagt die Ruine eines der seinerzeit prächtigsten Schlösser Europas, klassifiziert. Wie kam es dazu? Nach der Zerstörung des Schlosses während des durch den französischen „Sonnenkönig“ Louis XIV. aus Wut ausgelösten Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688 bis 1697) wurde das Schloss nicht mehr genutzt, dem weiteren Verfall überlassen und zur „schönsten Ruine Europas“. Louis XIV. betätigte sich also nicht nur als einer der meist imitierten Gartengestalter, Mäzen der Literatur und Künste und „Partylöwe“, sondern mindestens ebenso erfolgreich als „Ruinenbaumeister“. Unterstützt wurde er dabei im Folgenden durch die Gewalt der Natur, die sein Werk vervollständigte. Auch hatten sich zwischenzeitlich die Geschmäcker der Fürsten geändert. Barock löste die Renaissance ab. Zudem war es nicht mehr von Nutzen, Schlösser und Burgen auf Anhöhen zu errichten. Also überließ Kurfürst Carl Philipp (Regierungszeit von 1716 bis 1742) die Reste des Schlosses sich selber und errichtete seine neue Residenz in Mannheim nach der Mode seiner Zeit. Schloss Heidelberg, diese inzwischen zur schönsten aller Ruinen gewandelten Anlage zog im 19. Jahrhundert neben anderen Künstlern die schon zu ihren Lebzeiten gefeierten Dichter, wie Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Hölderlin und Joseph von Eichendorff und Maler, wie William Turner und den Landschaftsmaler Carl Philipp Fohr an. Reisen war bald nicht mehr nur Privilegierten, Künstlern, Kaufleuten und Vagabunden überlassen. Nein, immer mehr Menschen konnten es sich aus Vergnügen leisten und folgten den Spuren von „Lichtgestalten“, wie Goethe sowie der „Britischen Rheinromantiker“, wie Lord George Gordon Byrons und Ann Radcliffe. Die Begeisterung und Bekanntheit Heidelbergs bei Touristen unserer Zeit – zum Beispiel derer aus den USA – zeigt sich, wie ich denke, trefflich in folgender Anekdote: Während seiner Busreise durch die USA wurde einer unserer Freunde durch den Entertainer gefragt, woher er komme. „I`am German and live in Frankfurt.“ Fragende Gesichter. „I live in Frankfurt“. Immer noch Fragezeichen in den Gesichtern der anderen Reisenden. „Frankfurt is near Heidelberg.“ „Aaaah, Frankfurt by Heidelberg!“ Somit war alles klar. Natürlich zog es auch mich nach Heidelberg, als ich im Herbst 2017 eine Wanderwoche am Neckar einlegte. Aber während dieser Zeit traf ich auf keinen US-Touristen mehr, dafür aber auf eine schier endlos scheinende Menge asiatischer Touristen (wie auch vor zwei Jahren in Bern), die die „Amerikaner“ offensichtlich erfolgreich aus „Europa in 7 Tagen“ abgelöst haben.
Mühsam - ist der Weg von Heidelberg City zur schönen Schlossruine - machte ich mich frei nach Seneca (Mühsam ist der Weg von der Erde zu den Sternen) per pedes auf den Weg zum Schloss, obwohl sich die bequeme Variante mit der Standseilbahn anbot. Die nahm ich später in Anspruch als ich am Königstuhl (etwa 400 Meter über der Stadt) spazieren gehen wollte – dies war mir nach ausgiebiger Schlossbesichtigung nun doch zu viel. Ein solches Denkmal, wie das Heidelberger Schloss, muss man fachkundig geführt besichtigen. Nur anschauen ist einfach zu wenig. So erfuhr ich, dass der Pfälzer Zweig der Wittelsbacher 1777 das Herzogtum Bayern erbten und der erste bayerische König ein Pfälzer war. Die Wittelsbacher waren für mich bis jetzt immer Bayern und dieses falsche Wissen konnte ich nun korrigieren. Auch hatte ich am eigenen Leib erfahren, wie beschwerlich der Anstieg zum Schloss war. Logisch also, dass Kurfürst Carl Philipp seine Residenz nach Mannheim verlegte: die ursprünglich für Feinde ungünstige Lage des Heidelberger Schlosses bot zu dieser Zeit ja längst keinen Schutz mehr. Warum also dann noch die Mühe und die Kosten tragen, den Schlossberg zu erklimmen (wenn auch mit Kutsche) und mit allem Nötigen zu versorgen, zum Beispiel tausenden von Litern Wein. Die Stadt Mannheim und die ehemalige Festung Friedrichsburg, auf deren Grund die Pfälzer Kurfürsten von 1720 bis 1760 in mehreren Bauperioden das Mannheimer Schloss errichteten, wurden zwar ebenfalls während des Pfälzischen Erbfolgekrieges weitgehend zerstört. Aber hier lohnte der Neuaufbau – militärische Notwendigkeiten und die Mode hatten sich geändert. Aber zurück nach Heidelberg. Hier auf dem Schloss erfuhr ich weiter, dass – Sie ahnen es bereits – zuvor an dieser Stelle eine wehrhafte Burg errichtet wurde (um etwa 1300 n.Chr.), die in den folgenden Jahrhunderten entsprechend der sich steigernden Bedürfnisse nach bequemem Leben und Repräsentation beständig ausgebaut wurde. Anfang des 15. Jahrhunderts wurde ein Palais im gotischen Stil mit Festsälen errichtet. Mit Beginn des 16. Jahrhunderts ließ Ludwig V. das Schloss massiv verfestigen und um fünf Bauten erweitern. Natürlich durfte – der Sonnenkönig lässt grüßen – ein herrlicher Garten nicht fehlen. Diesen ließ zwischen 1616 und 1619 Kurfürst Friedrich V. errichten. Von hier aus hatte und hat man einen wunderbaren Blick auf Heidelberg, den Neckar und die Umgebung. Nicht nur dieser wunderschöne Viewpoint mit allem, was sie von dort aus sehen konnte, inspirierte Peggy March 1972 zu ihrem Lied „Memories of Heidelberg“.
Mit freundlicher Genehmigung durch die Leiterin des Apothekenmuseums Memories of Heidelberg hat für mich persönlich – auch, wenn Peggy March singt „Memories of Heidelberg sind Memories of you ...“ – nichts mit einer geliebten oder geschätzten Person zu tun. Dennoch sind es für mich schöne Erinnerungen an die Schlossführung, an die Besichtigung des Apothekenmuseums, an das riesengroße Weinfass, die Weinpumpe und dann an den herrlichen Spaziergang am Königstuhl hoch oberhalb des Schlosses – nein, doch auch an eine geliebte Person: meiner verstorbenen Ehefrau, die mich, weil beruflich interessiert, vor gut 30 Jahren länger als mir lieb war, im Apothekenmuseum festhielt – war der Wein und die Geschichte rund um Wein für mich doch interessanter. Seit 1957 ist das „Deutsche Apotheken-Museum“ hier in Heidelberg angesiedelt. Hier ist alles über die Geschichte der Pharmazie zu erfahren, von der Antike bis in unser Jahrhundert. Neben den sieben vollständigen Apothekeneinrichtungen, die mich schon damals begeisterten, faszinierte mich die „Homöopathische Hausapotheke“ der Firma Dr. Willmar Schwabe aus Leipzig, ca. 1890 (s. Foto). Dachte ich, Homöopathie wäre eine neuzeitliche Modeerscheinung, so wurde ich auch diesbezüglich eines Besseren belehrt. Was mich schon damals beeindruckte und dieses Mal wieder, waren das weltweit größte Weinfass und die Weinpumpe, die die Durstigen im Festsaal des Palais mit der nötigen Menge Wein versorgen konnte – und das waren zu dieser Zeit hunderte von Litern. Weniger faszinierend, aber mitfühlend erinnerte mich die Figur des „Hofzwerges“ Perkeo (s. Foto) an das traurige Schicksal so vieler Menschen, die krank sind oder nicht der Norm entsprechen. Die Geschichte dieses Hofnarren wird heute als eine lustige angesehen und erzählt – lustig war das Leben für Perkeo aber sicherlich nicht. Warum auch immer, Perkeo war ein Trinker. Er muss sogar ein mächtiger Trinker gewesen sein, auch wenn man bedenkt, dass der Wein zu seiner Zeit nicht den hohen Alkoholgehalt heutiger Weine aufwies. Nun, erzählt wird, dass Perkeo unaufgefordert oder auch aufgefordert, Weingläser massenweise auf „ex“ leerte. So wurde er einmal aufgefordert, wieder ein gut gefülltes Weinglas auf „ex“ runterzuschütten. Er tat es … und verstarb! Was war passiert? Der Witzbold, der ihm dieses Glas reichte, hatte ihm zur Gaudi der Zuschauenden Wasser gereicht – und das war Perkeo nicht gewohnt. Er soll an diesem Schock gestorben sein – er wurde nur 33 Jahre alt.
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