Engelberg in der Schweiz (Kanton Obwalten)   

Ein radelnder Reporter per pedes unterwegs in den Bergen bei Engelberg im Kanton Obwalten

  • 2_Bergbahn_Engelberg
  • 1_Aufstieg
  • 3_Seilbahn_Engelberg

Ein abgeschiedenes Tal, umtriebige Engel (oder waren es doch nur Murmeltiere), Wirkungsstätte von Benediktinern und  naturbegeisterten Touristen aus aller Welt.

 

Wären nicht Engelstimmen von der Höhe des Berges Hahnen ins Tal getragen worden, gäbe es diesen Ort nicht – nicht unter dem Namen „Engelberg“, nicht unser Wanderwochenende und auch nicht diesen kurzen Ausflug in die praktische Philosophie.

War es tatsächlich der Gesang der Engel oder doch nur das Pfeifen der Murmeltiere? Egal! Die Legende, nach der im Tal Stimmen von Engeln gehört wurden, ist jedenfalls mehr für`s Herz. Und diese Wahrnehmung führte um 1120 zur Gründung eines Benediktinerklosters durch den Freiherrn von Sellenbüren sowie zur Namensgebung des Ortes Engelberg. Wie so viele Orte im Mittelalter, verdankt auch Engelberg seine Entwicklung und seinen weit über die Schweiz hinaus reichenden Bekanntheitsgrad dieser Klostergründung. Schließlich lockten uns neben der malerischen Landschaft auch das Kloster, dessen Geschichte und sein heutiger Ruf nach Engelberg.

Von seiner Gründung bis 1615 handelte es sich um ein sogenanntes Doppelkloster. Eine solche Klostergemeinschaft setzte sich aus Mönchen und Nonnen zusammen, die einem gemeinsamen Oberen unterstanden, aber strikt getrennt voneinander lebten. Das Kloster Engelberg entwickelte sich bald zu einem geistlich geprägten Kleinstaat. Im Gegensatz zum Vatikanstaat – heute der kleinste allgemein völkerrechtlich anerkannte Staat –  unterstellte sich das Kloster Engelberg mit seinen weltlichen Besitztümern Ende des 13. Jahrhunderts sehr früh den sich zu dieser Zeit formierenden Eidgenossenschaften – den „Alten Eidgenossenschaften“. Nach der Invasion französischer Truppen Ende des 18. Jahrhunderts verzichtete das Kloster auf seine weltlichen Herrschaftsansprüche und beschränkte sich auf seinen rein religiösen Auftrag. Für die Einwohner Engelbergs galt sodann die neue helvetische Verfassung, die dem französischen Vorbild folgend auf Gewaltenteilung und Rechtsgleichheit aufbaut. Analog dieser durch die Französische Revolution und den Freiheitsanspruch der Schweizer Bevölkerung initiierten politischen Entwicklungen vollzog auch die ursprüngliche, von Abt Frowin im 12. Jahrhundert gegründete klostereigene Schreib- und Malerschule  die Entwicklung zur Modernen. Seit 2009 wird die „Stiftsschule Engelberg“ von einem weltlichen Rektor geleitet. Gegründet am 27. September 2001 organisiert und unterstützt die „Stiftung Academia Engelberg“ interdisziplinäre und internationale Aktivitäten und Projekte, so zum Beispiel einen jährlich stattfindenden Kongress zu Themen aus den Natur- und Geisteswissenschaften.

Dass die Ordensregeln der Benediktiner, im Wesentlichen verfasst durch Benedikt von Nursia (geb. um 480 in Nursia, Italien; gest. 21. März 547 auf dem Monte Cassino) auch heute noch weltlich verwertbar sind, zeigt anschaulich Dr. Baldur Kirchner in seinem Buch „Benedikt für Manager – die geistigen Grundlagen des Führens“ (Gabler Verlag, ISBN 3-409-19194-1). Nicht nur für Manager (und Politiker, zumal für solche, die sich selbst zur politischen Elite zählen), sondern für jeden Einzelnen interessant, werden hier doch allgemein gültige, zeitlose Empfehlungen für ein gutes Zusammenleben zusammengefasst, zum Beispiel zur zwischenmenschlichen Kommunikation: „Schlechtes und unanständiges Reden vermeiden.“ „Das viele Reden nicht lieben.“ „Keine Falschheit im Herzentragen.“ „Sein Tun und Lassen ständig überwachen.“ „Der Überheblichkeit fliehen.“

Nun, in wenigen Worten ist die hierin enthaltene Kernbotschaft auch von Zarathustra überliefert: „Gut denken, gut reden, gut handeln.“

 

Nach diesem philosophischen Ausflug locken die Berge mit ihren Seen, die Maultiere und ihr Pfeifen, mich aber keinesfalls eine kilometerlange Seilbahnfahrt über schwindelnde Höhen.

Aber der Reihe nach. Unsere Bergtour beginnt in Engelberg, von wo aus wir uns mit der Standseilbahn und einer Gondelbahn in zwei Etappen zur Gerschnialp bringen lassen. Hier fühlen wir uns erst einmal in die Berge Japans versetzt, befinden wir uns doch als eine kleine Gruppe Europäer inmitten einer größeren asiatischen Reisegruppe. Einige Jahre später lese ich „Der japanische Verlobte“ von Amélie Nothomb (diogenes-Verlag, ISBN978-3-257-24151-8) und erinnere mich an die Schönheit dieser Berge und die Begeisterung der japanischen Touristen. In diesem Buch beschreibt Amélie Nothomb in anschaulicher Weise ihren Aufstieg auf den Himalaya: meiner Meinung nach absolut lesenswert!

Hier oben in der Stille der Natur, nur hin und wieder vom Pfeifen der Murmeltiere (und natürlich unserer Unterhaltung, unserem Lachen) unterbrochen, bekomme ich eine Ahnung, wieso man im 12. Jahrhundert Engelstimmen aus den Höhen des Berges wahrgenommen hat. Wenn der Deutsche davon spricht, ein Hahn würde krähen, so beschreibt der Franzose dessen Laute mit    „Le coq chante“ (Der Hahn singt). Ebenso unterschiedlich kann der Mensch auch das eher unmelodische Pfeifen der Murmeltiere wahrnehmen, hat doch jede „Murmeltierfamilie“ ihren eigenen speziellen Klang, der von den Eltern auf ihre Jungen übertragen wird. So begleiten uns die unterschiedlich getönten Warnrufe dieser tagesaktiven Nagetiere, aber nur selten können wir dann und wann durch ein Fernglas den Wächter sehen: in aufrechter Haltung auf den Hinterpfoten stehend und uns aus sicherem Abstand beobachtend. Eine größere Ansammlung sehen wir nie – ihr Höhlensystem ist wohl sehr ausgeklügelt und bietet schnellen und sicheren Schutz vor uns.

Selbstredend bietet diese Region neben Wandern auch alles das, was sich Skifahrer (im Winter), Kletterer oder Mountainbiker und Gleitschirmflieger wünschen. Wen wundert`s, dass Engelberg Erste-Klasse-Sportler/Innen hervorgebracht hat, so die sechsfache Skirenn-Weltmeisterin Erika Hess, nachder eine Abfahrts-Piste benannt wurde und Fritz Feierabend, ein erfolgreicher Bobpilot. 

Am vielfältigsten sind meiner Meinung nach jedoch die Wandermöglichkeiten, die frei gestaltbar sind oder thematisch strukturiert angeboten werden: „Geologischer Wanderweg“, „Heilkräuterweg“, „Murmeli-Wanderweg“ und natürlich der „Benediktusweg“ um nur eine Auswahl zu nennen, bieten genügend Abwechslung und Schwierigkeitsgrade für alle Altersgruppen.

Unser Weg entlang der „Vier-Seen-Wanderung“ führt uns etwa sieben Stunden lang (obwohl diese kurz erschienen) über karge Hügel, vorbei an fruchtbaren grünen Weiden, blühenden Blumen, manche kleinere Rinderherde und eben diese vier malerisch in die Berglandschaft eingebettete Seen.

Auf dem Rückweg nehmen wir die Stöckalp-Seilbahn und den Postbus, um den Abend erschöpft und voll vielfältiger Eindrücke in Engelberg zu verbringen. Einmal in dieser kilometerlangen (etwa 3,31 Kilometer!) und über schwindelnde Höhen schwebenden Seilbahn sitzend, war es zu spät – für mich. Von der Landschaft bekam ich jedenfalls während der Abfahrt nicht sonderlich viel mit. Hätte ich gewusst, dass sich Jahre später ein Fahrgast während einer technischen Bahnkontrolle in die Brunniswaldbahn (ebenfalls eine Seilbahn) verirrte und hierin talwärts Beschleunigung und an der Talstation dann eine Vollbremsung miterleben musste, ich wäre sicherlich auch noch diese Kilometer zu Fuß zur Busstation gewandert – trotz des Ergebnisses, nachdem sich die getestete Seilbahn – wie sicherlich auch alle anderen – als absolut sicher erwies.

  • 4_Berg Hahnen_Engelberg
  • 5_Melchsee_Engelberg
  • 113_1352
  • 6_Einblick in geologische Strukturen
  • 113_1356
  • 113_1342
  • 113_1354
  • 113_1363
  • 113_1370
  • ENGELB14
  • ENGELB18
  • ENGELB20
  • ENGELBE1
  • ENGELBE2
  • ENGELBE8