Ein radelnder Reporter auf geschichtlichen Spuren

 

Schweiz-Reise, Teil 1, Bern und die Aare

 

Das Glockenspiel der Zytglogge und ein Tisch für Verliebte

 

Von Boll nach Bern, (fast) immer die Aare entlang.

Nachdem ich mich an einem sonnigen Vormittag in Boll aufs Fahrrad geschwungen habe, um nach Bern zu radeln, spürte ich bald, dass mich dies als „Flachländer“ aus dem „Nord-Kanton“ hier doch sehr anstrengt. Umso angenehmer empfand ich dann trotz der Enge des Rad- und Fußweges den Schatten, die Kühle und die geringen Höhenunterschiede entlang der von vielen Bäumen umsäumten Aare. Während einer kurzen Rast wollte ich doch etwas mehr über die Aare erfahren und aktivierte mein Smart-Phone, von Spöttern „Wisch-Phone“  genannt. Rätselhaft erschien mir, dass die Aare in Koblenz in den Rhein münden sollte. Ja, liegt den Koblenz in derSchweiz? Mir war nur ein Koblenz etwa 13o km südlich von Köln bekannt und, dass in Koblenz die Mosel in den Rhein mündet. Nun lerne ich, dass es weiter südlich, genauer, im Kanton Aargau einen weiteren, allerdings sehr kleinen Ort ein Dorf namens Koblenz gibt und dass dort die Aare in den Rhein mündet. So bringt es die Aare von ihrem Ursprung im Grimselgebiet bis zur Mündung in den Rhein auf etwa 288 km und ist somit der längste innerhalb der Schweiz verlaufende Fluss und gleichzeitig der größte Nebenfluss des Rheins. Dann lerne ich auch noch, dass so klein diesess chweizer Koblenz auch ist, es doch aufgrund seiner Lage für seine Bewohner jahrhundertelang Existenz und Einkommen sicherte – durch ein Monopol für den Schiffstransport, das jedoch Mitte des 19. Jahrhunderts bedingt durch den Eisenbahnbau sein Ende fand. Hier, bei Bern allerdings bietet die Aare allerlei Freizeitmöglichkeiten, vom Schwimmen bis zum Kanufahren – und nicht zu vergessen, auch etwas für`s Auge, wie zum Beispiel den botanischen Garten und den Zoo.

In Bern angekommen, lasse ich in Anbetracht der Topographie der Stadt mein Rad stehen und begebe mich zu Fuß auf weitere Erkundungstour.  Vorher verschaffe ich mir vom Rosengarten, der hoch über der Inneren Stadt liegt, bei Eiskaffee einen Überblick über die Stadt. Der Aufstieg zum Rosengarten ist wirklich steil. Die Anlage und der Blick von oben entschädigen aber jede Anstrengung. Für diejenigen, die nicht gut zu Fuß sind, sei der Autobus empfohlen.

 

Erfrischung, sogar kostenlose, gibt es mitten in Bern. Die innere Stadt ist voll von faszinierenden Sehenswürdigkeiten. Multikulti in der Schweiz. 

Danach mache ich mich auf den Rundweg durch die Innere Stadt, zuerst zum Berner Münster, der größten spätmittelalterlichen Kirche der Schweiz, im Stil der Spätgotik erbaut und prachtvoll ausgestattet. Dieser imposante Sakralbau wurde ab der Grundsteinlegung im Jahre 1421 über mehrere Bauphasen und mit Unterbrechungen errichtet und erreichte seine wesentliche Fertigstellung um 1588. Etwa 150 Jahre später wurde dann noch der Turm von ursprünglich 55 m Höhe auf etwas mehr 100 m erhöht. Das Berner Münster befindet sich seit 1983 auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO. Das Münster wird auch genutzt für kulturelle Veranstaltungen von Musik bis zu Freilandaufführungen à la „son et lumière“. Auf dem Weg vom Münster in die Innere Stadt trifft mich plötzlich in der Münstergasse ein kühles Nass. Nein es regnet nicht! Ist hier etwa die Zeit stehen geblieben? Befinde ich mich im Mittelalter und jemand hat soeben seinen Nachttopf geleert? Nein, zum Glück trifft beides nicht zu! Was war also die Ursache, bei so schönem Wetter ein paar Tropfen abzubekommen? Ich befinde mich vor dem Haus, dessen Eigentümer den vom Berner Künstler Luciano Andreani geschaffenen Wasserspeier erstanden und am Giebel seines Hauses angebracht hat. Um möglichst vielen Passanten diese Abkühlung zuteil werden zu lassen, ist auf dem Weg noch ein Geldstück eingelassen, direkt auf dem Punkt, auf dem das Wasser auftrifft.

Mein Rundgang durch die Innere Stadt führt mich an so vielen Sehenswürdigkeiten vorbei, wie die Heiliggeistkirche, dem Bundeshaus, dem Käfigturm, dem Holländerturm, dem Zähringerbrunnen und natürlich auch an der Zytglogge, um nur einige wenige zu nennen. Knapp vor jeder vollen Stunde, wenn das Glockenspiel der Zytglogge mit dem Schrei eines Hahns beginnt, lockt diese Attraktion Einheimische und Touristen gleichermaßen an – und der Platz füllt sich schnell.

Mein Rundgang führt mich weiter zum Bärenplatz, wo ich kurz verweile, um  das Treiben rund um ein großes Freilandschachspiel zu beobachten. Danach führt mich mein Weg wieder zurück Richtung Rosengarten, an dessen Fuß mein Fahrrad sicher abgeschlossen parkt. Vorher jedoch biege ich hinter der Nydeggbrücke rechts ab in den Bärengraben.

 

In ihrem neuen Zuhause ander Aare fühlen sich die Berner Bären wohl. Auch für das Wohl der Menschen ist an der Aare gesorgt. Für nicht schüchterne Verliebte gibt es an der Aare einen Extra-Tisch.

Endlich haben die angeblichen Namensgeber der Stadt Bern ein Gelände zur Verfügung, auf dem sie es deutlich besser haben als in dem unwürdigen Loch, in dem sie bis etwa Oktober 2009 eingepfercht waren.

„Was haben nun die Bärenmit Bern zu tun  - oder umgekehrt?“, das fragt sich der Fremde bei seinem ersten Besuch der Schweizer Bundesstadt.

Die Stadt Bern wurde erstmals in einer Urkunde vom 01. Dezember 1208 erwähnt, während das Gebiet bereits mindesten im 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung besiedelt war. In dieser sehr frühen Zeit muss auch der Ursprung des Stadtnamens zu finden sein, so neuere wissenschaftliche Forschungsergebnisse. Demnach leitet sich der Name „Bern“ wahrscheinlich vom keltischen Wort „Berna“ ab. „Berna“ bedeutet so viel wie Kluft oder Schlitz und das kommt der topografischen Situation Berns am Aarebogen sehr nahe. Der bekanntesten Legende nach, soll jedoch Konrad Justinger (geboren vor 1370 möglicherweise in Rottweil, gestorben 1438 inZürich) den Namen kreiert haben, indem er als Stadtschreiber bekanntgab, dass die Stadt den Namen des Tieres erhalten solle, das als erstes in den Wäldern bei Bern erlegt würde. Und dies soll ein Bär gewesen sein. Auch hier stehen demnach Sachlichkeit und Romantik in Konkurrenz zueinander.

Nach einem kurzen Spaziergang an der Aare komme ich zu einem auf einer kleinen Halbinsel gelegenen Restaurant. Die Gelegenheit, bei einem Imbiss und einem Longdrink Füße und Seele baumeln zu lassen.  Hier fällt mir ein kleiner abseits gelegener Tisch für zwei Personen auf – reserviert für Verliebte. Daran, dass es besonders im Frühsommer zu wenig Verliebte geben sollte, kann es nicht gelegen haben, dass dieser schön eingedeckte Tisch leer blieb – eher schon aufgrund seiner exponierten und vom Restaurant gut einsehbaren Lage.

 

 

 

Schweiz-Reise, Teil 2, Montreux und Lausanne

 

Jazz, Schokoladenzug und eine Inspirationsquelle für Philosophen und Dichter

 

Heute führt mich mein touristischer Aufenthalt in der Schweiz von Bern nach Montreux und Lausanne. Weil ich kein Extremsportler bin, gebe ich meinem Velo einen Tag frei und mache mich mit dem Zug auf nach Montreux. Relaxed im Zug sitzend genieße ich bei wunderbarem Sonnenschein während der Annäherung an Montreux den herrlichen Blick auf den Genfer See und die umliegenden Berge. Montreux war mir bekannt durch das alljährlich im Juli stattfindende „Montreux Jazz Festival“ und als Liebhaber von Schokolade durch den „Schokoladezug“ mit seinen luxuriösen Belle-Epoque-Pullmanwagen. Dieser fährt von Montreux aus durch das Greyerzer Land und führt den Interessierten ein in die Milchwirtschaft sowie die Käse- und Schokoladeherstellung. An den Genfer See hat mich letztlich allein die Lust geführt, etwas französisches Flair aufzunehmen und die landschaftlichen Schönheiten am Genfer See zu genießen.

 

Denkmal zum Andenken an Freddy Mercury.

Vom Bahnhof aus sind es nur wenige Schritte zum Seeufer und den Anlegestellen der Ausflugsdampfer. Als erstes touristisches Ziel hatte ich mir das Schloss Chillon gesetzt, gelegen auf einer kleinen Landzunge, unmittelbar am Genfer See am östlichen Rand von Montreux. Auf dem Weg dorthin passiere ich das Denkmal zum Andenken an Freddie Mercury, dem Sänger der  Popgruppe „Queen“, der in seinen letzten Lebensjahren hier lebte.

Die Geschichte des Schlosses Chillon ist eigentlich, verglichen mit anderen mittelalterlichen Anlagen, unspektakulär. Interessant wurde es vor allem dadurch, dass sich der Philosoph und Dichter Jean-Jacques Rousseau und von diesem inspiriert später der Dichter Lord Byron für die Festungsanlage und seine Kulisse begeisterten. Rousseau verlegte einen Teil der Handlung seiner Novelle „Héloïse“ hierhin und Lord Byron machte es bekannt durch sein Gedicht „The Prisoner of Chillon“. Dieses Gedicht widmete er dem Prior von Saint Victor in Genf, François Bonivard (geboren1496, gestorben 1570), der als Anhänger der Reformation und wegen seiner feindlichen Einstellung gegenüber dem Hause Savoyen von 1530 an in Chillon inhaftiert war, bis er von den Berner Reformatoren 1536 befreit wurde, nachdem diese dieSavoyer vertrieben hatten.  

 

Eine der ältesten Wasserburgen.

Die mittelalterliche Festungsanlage Schloss Chillon wurde erstmals um 1005 erwähnt und zählt als eine der ältesten Wasserburgen. Anfang des 12. Jahrhundert ging das Gebiet um Montreux auf das Haus Savoyen über, aus dem die späteren Könige Italiens hervorgingen (Regentschaft des Hauses Savoyen von 1861 bis 1946). Trotz Sonnenschein verbringe ich gut zwei interessante Stunden in den kühlen Gemäuern dieser Festung und freue mich, dass ich hier als Tourist und nicht als Gefangener verweile.

Danach geht es mit einem Dampfer nach Lausanne, das ich nach etwa einer Stunde erreiche.

Unmittelbar nach Verlassen des Dampfers beginnt ein steiler Aufstieg zur ehemaligen Akademie von Lausanne. Eine Herausforderung, durchaus auch für den sportlichen Menschen, der sich oben angekommen in guten Restaurants und Bistros stärken oder einfach nur auf Bänken mit Blick weit ins Land, Richtung Genfer See, begnügen kann.

 

1547, erste Hochschulordnung erlassen.

Die heutige Universität Lausannes hat ihre Ursprünge in der theologischen „Académie de Lausanne“, die1537 durch die Berner Reformatoren und Eroberer des Kantons Waadt nach der Vertreibung der Savoyer gegründet wurde. Etwa 10 Jahre später, um 1547 wurde die erste Hochschulordnung für diese Akademie erlassen und neben Theologie noch freie Künste, griechische Philologie und hebräische Philologie gelehrt. Heute umfasst die Universität Lausannes beinahe das gesamte wissenschaftliche Spektrum.

Neben namhaften Theologen (wie Théodore de Bèze – geboren 24. Juni 1519, gestorben 13. Oktober 1605 – ein Mitstreiter Johannes Calvins), Naturforschern (wie François-Alphonse Forel – geboren 02. Februar 1841, gestorben 07. August 1912, Mitbegründer der „Rossi-Forel-Skala“ zur Klassifizierung von Erdbeben) und anderen studierte hier auch ganz kurz Erika Fuchs. Wer war nun Erika Fuchs? 

 

Kleiner Exkurs in die Welt der Comics.

Johanna Theodolinde Erika Fuchs, geborene Petri (geboren 07. Dezember 1906, gestorben 22. April 2005) war von 1951 bis 1988 die deutsche Übersetzerin der amerikanischen Micky-Maus-Comics. Ihr Einfluss auf die deutsche Sprache war die Schaffung von Wörtern wie „grübel“, „zitter“, „stöhn“ und so weiter, die ihr zu Ehren ernsthaft als „Erikativ“ bezeichnet werden. Die deutsche Gemeinde Schwarzenbach an der Saale richtete ihr zu Ehren in 2012 ein Museum ein und sogar ein Asteroid wurde am 21. August 2013 nach ihr benannt (Asteroid-Nr. 31175, „Erikafuchs“). Natürlich war sie auch Ehrenmitglied der D.O.N.A.L.D (Deutsche Organisation Nichtkommerzieller Anhänger des Lauteren Donaldismus).

 

Eine Art mittelalterliche Erziehungs-Comics.

Nach diesem kleinen Exkurs in die Welt der Comics wieder zu ernsthafterem zurückkehrend, besichtige ich die Kathedrale „Notre Dame“, die ab etwa 1170 am Ort einer romanischen Kirche errichtet wurde und als eine der bedeutensten gotischen Kirchen der Schweiz gilt. Besonders sehenswert ist zum Beispiel die Fensterrose im Querschiff. Dieses Glasbild stellt Erde und Meer, Luft und Feuer, die Jahreszeiten und Sternzeichen dar und – das darf im Mittelalter nicht fehlen – auch Ungeheuer, die am Rande der Welt lauern – ich bin geneigt zu sagen: „Eine Art mittelalterliche Erziehungs-Comics“.

Auf dem Weg zum Bahnhof passiere ich einen Brunnen, dessen drei Eselsköpfe mich neugierig machen und zu einem kurzen Halt veranlassen. Dabei lese ich die Inschrift „EN SOUVENIR DE L`ACADEMIE D`OUCHY“ (In Erinnerung an die Akademie von Ouchy). Was haben Eselsköpfe mit der Lausanner Hochschule gemein? Tja, dass es auch unter Akademikern so manchen „Esel“ gibt (hier geschieht den wirklichen Eseln Unrecht), gehört nun einmal zum Allgemeinwissen. Warum also ein Brunnen mit dieser Inschrift? Das hat folgende Bewandtnis: Damals konnte der Passant allmorgendlich eine kleine Herde Esel beobachten, die beladen mit Säcken voll Sand oder Steinen die „Avenue d`Ouchy“ Richtung Akademie hochtrabten. Häufig war dann zu hören: Schaut her, die Akademie von Ouchy!“ Dies hat den Bildhauer Edouard-Marcel Sandoz (geboren21.03.1881 in Basel, gestorben 20.03.1971 in Lausanne – Sohn des Unternehmers Edouard Sandoz) zu dieser Skulptur inspiriert, die am 02. Juni 1937 eingeweiht wurde.

 

 

Schweiz-Reise, Teil 3, Fribourg („Freiburg im Üechtland“)

 

Keine angsteinflößende Knecht Ruprechte und die Zähringer

 

Nach ein paar Tagen Akklimatisation in Bern und Umgebung erinnere ich mich, bei Wilhelm Busch so oder so ähnlich gelesen zu haben „… warum lange hier verweilen, woanders ist es auch sehr schön“. Also schwinge ich mich voller Tatendrang auf mein Fahrrad, natürlich mit etwas Proviant, Wasser und einer „Velopumpe“ – an diesem Wort bemerkt man die schweizerische Sprachökonomie, indem aus den zur Verfügung stehenden Sprachen die kürzeren Begriffe gewählt und zum Teil sprachübergreifend zusammengefügt werden – also auch mit einer Fahrradluftpumpe ausgestattet, um nach Fribourg („Freiburg im Üechtland“) zu radeln. Entlang einer wunderschönen Landschaft, allerdings schweizerisch hügelisch, erreiche ich nach etwas mehr als 30 km und drei Stunden Fribourg. Mein Rad stelle ich nahe der Kathedrale „St. Nicolas“ ab, schaue mich in der näheren Umgebung um und amüsiere mich über das quer über die Hochzeitsgasse gehängte Schild mit verschiedenen Inschriften auf den beiden Seiten (aus dem Französischen in etwa: „Straße der treuen Ehefrauen und Ecke der geformten Männer“ und aus dem Schwyzerdütsch in etwa: „Freue Dich heute, Hochzeiter, Du guter Mann, morgen hat Deine Frau schon die Hosen an“).

 

Eine Kathedrale für Nikolaus von Myra.

Bald jedoch machen sich meine Beine und Füße bemerkbar und verlangen eine Ruhepause. Ich begebe mich auf die Terrasse eines nahegelegenen, eher alternativ geführten Restaurants mit außergewöhnlich schönem Blick auf die Sarine. Nach einem Imbiss und der notwendigen Ruhe mache ich mich auf zur Kathedrale, um vom 76 Meter hohen Turm aus Fribourg und seine Umgebung zu betrachten.  DerBau der Kathedrale im gotischen Stil, die an der Stelle einer romanischenKirche errichtet wurde, wurde 1283 begonnen und etwa 1490 fertig gestellt. Die Kathedrale ist Nikolaus von Myra gewidmet und so wird der Umzug zum Patronatsfest auch von einem auf einen Esel sitzenden Nikolaus angeführt, dessen Knechte Ruprechte Lebkuchen und andere Süßigkeiten an die Kinder verteilen. Den wilden, angsteinflößenden Knecht Ruprecht mit seiner Rute und den Sack, in den unartig gewesene Kinder gesteckt würden – so erinnere ich den Ruprecht aus meinen Kindertagen – den gibt es offensichtlich auch hier nicht mehr. Auf heutige Kinder mit  ihrer Begeisterung für „Monster“ wirkt diese Schreckgestalt wohl nicht mehr  – aber auch ich trauere dem Angstmacher keine Träne nach, entsprang er doch einem völlig verquasten Erziehungsgedanken mit Züchtigungen und Angstmachen, wie auch das Tympanon mit der Darstellung des „Jüngsten Gerichtes“ an der Westfront der Kathedrale, über dem Hauptportal. Aus künstlerischem Blickwinkel unbedingt sehenswert, wie auch die im Jugendstil gehaltenen Kirchenfenster, die vom polnischen Maler Józef Mehoffer zwischen 1896 und 1936 erstellt und vom französischen Maler Alfred Manessier vollendet wurden.

Nach dem Betrachten der Heiliggrabkapelle, dem Altarbild, der Kreuzesdarstellung im Chorraum und anderer christlicher Kunstwerke steige ich die Wendeltreppe mit ihren 368 Stufen (selbst nachgezählt) hinauf und werde dort oben für den kleinen Eintrittspreis und die Mühen des Aufstiegs belohnt. Vom 360 Grad-Rundumblick über Fribourg können aber getrost etwa 60 Grad ausgespartwerden – und zwar in Richtung der Hochhaus-Siedlung, einer Plattenbausiedlung der Ex-DDR nicht unähnlich. Das, was sonst von hier oben geboten wird, sind steil an Hänge angeflanschte Häuser, Taleinschnitte, Brücken, das mäandern der Sarine und vieles mehr an Natur und Artefakten.

 

Deutsch-französischeSprachgrenze.

Auch hier oben nehme ich mein Wischphone zur Hand, um näheres über die Stadt und ihre Umgebung zu erfahren. Ich lese, dass sich die Sarine etwa 100 Meter tief in das Molasseplateau eingeschnitten hat, etwa 126 km lang ist und westlich von Bern in die Aare mündet. Auch erfahre ich, dass diese Stadt im französischen Teil der Schweiz gelegen etwa 37.000 Einwohner beherbergt, von denen rund 30% Nicht-Schweizer sind. Ferner, dass Fribourg am sogenannten Röstigraben liegt – „Röstigraben“ wird die Sprachgrenze zwischen der deutschsprachigen und der französischsprachigen Schweiz genannt – und dass das Deutsche hier bis ins 12. Jahrhundert vorherrschend war.

Noch einen weiteren Blick auf der Zeitachse zurück und ich lerne, dass die Gegend hier an der Sarine bedingt durch ihre geschützte Lage bereits in der Jungsteinzeit besiedelt war. Den Wert dieser strategischen Lage erkannte denn auch Herzog Berthold IV. von Zähringen (geboren um 1125 und gestorben am 08. Dezember 1186) und gründete im Jahre 1157 die Stadt Fribourg  – zu derZeit Fribor genannt. Das schwäbische Fürstengeschlecht der Zähringer war verwandt mit den Staufern und benannte sich nach ihrer Burg Zähringen, bei Freiburg im Breisgau gelegen. Mit Berthold I. (1000 bis 1078) begann derAufstieg des Fürstengeschlechts der Zähringer, das unter Berthold V. (1186 bis 1218) sogar als thronfähig galt; so wurde Berthold V. von Zähringen nach dem Tod Kaiser Heinrich VI. (geboren November 1165, gestorben 28. September 1197) zwar als Thronkandidat vorgeschlagen, betrieb seine Kandidatur allerdings nicht ehrgeizig. Mit dem Tode Berthold V., der ohne Nachkommen blieb, erlosch dieses zeitweise sehr erfolgreiche Fürstengeschlecht, das unter anderem neben Herrschaften im Breisgau und Thurgau auch Rechte an den Herzogtümern Schaben und Kärnten besaß und das Rektorat über Burgund ausübte. Den Zähringern verdankt die Stadt Bern die Verleihung von Stadtrechten, um 1191. Nach dem Tode des letzten Zähringer Berthold V. wurden dessen Besitzungen – außer Bern – auf den Grafen von Kyburg und den Grafen von Urach aufgeteilt. Die Stadt Bern wurde „freie Reichsstadt“.  

An Berthold V. erinnern ein Grabmal in der Freiburger Kathedralesowie in Bern der Zähringerbrunnen und die Zähringerdenkmale im Berner Münster und auf der Nydegg.

 

Auberge aux quatre vents: Ein Ort zum Entspannen.

Danach treffe ich meine arbeitende Verwandtschaft zum Essen in der „Auberge aux quatre vents“, um denTag ausklingen zu lassen. Von der Kathedrale aus erreiche ich mit dem Fahrrad (mit dem Bus und einige Minuten zu Fuß wäre das auch möglich gewesen) das Hotel mit angeschlossenem Restaurantbetrieb. Eine Empfehlung für jeden, der Fribourg besucht und etwas Zeit mitbringt. Auf dem Gelände eines alten Herrenhauses befindet sich ein wunderschön gestalteter Garten mit herrlichem Blick auf Fribourg, wo wir diesen Blick genießend einen Aperitif zu uns nehmen, um danach zum Abendessen in das Restaurant zu wechseln. 

War es nur der Müdigkeit zuzurechnen, oder? Auf jeden Fall mache ich mich meiner Schwester gegenüber lustig über die „Banausen, die sich hier in diesem guten Restaurant Würstchen bestellt hatten“, als eine Serveuse unseren Tisch passierte und ich auf ihrem Tablett eben diese Würstchen wahrnehme.  Ein kurzes Gespräch am Nebentisch, ein suchender Blick der Serveuse, sie nähert sich unserem Tisch und serviert mir die von mir bestellten Saucisses. Das Gelächter meiner Schwester und meiner Nichte brauche ich wohl nicht zu beschreiben. Nebenbei bemerkt: diese Würstchen und die Zutaten waren denn doch ganz anderer Qualität als eben gleiches an einer Würstchenbude oder im Biergarten.

Im Garten bereit fiel uns auf, dass außen an einem Zimmer der ersten Etage eine Schiene angebracht war, etwa fünf Meter in`s Gelände hinein ragend. Nicht nur um von der „Würstchengeschichte“ abzulenken, frage ich die Serveuse und erfahre, dass alle acht Zimmer des Hotelbetriebes unterschiedlich eingerichtet sind und eben dieses Zimmer erlaubt, im Freien zu baden: die Badewanne kann aus dem Badezimmer herausgeschoben werden und der/die Badende die freie Natur und den schönen Blick genießen. Keine Sorge, es ist keine gläserne Wanne und erlaubt somit Diskretion.

 

Zurück nach Bern nahm ichdann Zug und S-Bahn, voll von neuen Eindrücken.